Artikel 239
Am 26.12.2024 aktualisiert
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Art. 239 Eröffnung und Begründung

1 Das Gericht eröffnet seinen Entscheid in der Regel ohne schriftliche Begründung:

  • a. in der Hauptverhandlung durch Übergabe des schriftlichen Dispositivs an die Parteien mit kurzer mündlicher Begründung;
    b. durch zeitnahe Zustellung des Dispositivs an die Parteien.

2 Eine schriftliche Begründung ist nachzuliefern, wenn eine Partei dies innert zehn Tagen seit der Eröffnung des Entscheides verlangt. Wird keine Begründung verlangt, so gilt dies als Verzicht auf die Anfechtung des Entscheides mit Berufung oder Beschwerde.

3 Vorbehalten bleiben die Bestimmungen des Bundesgerichtsgesetzes vom 17. Juni 2005 über die Eröffnung von Entscheiden, die an das Bundesgericht weitergezogen werden können.

Version vor dem 01.01.2025

Art. 239 Eröffnung und Begründung

1 Das Gericht kann seinen Entscheid ohne schriftliche Begründung eröffnen:

a. in der Hauptverhandlung durch Übergabe des schriftlichen Dispositivs an die Parteien mit kurzer mündlicher Begründung;
b. durch Zustellung des Dispositivs an die Parteien.

2 Eine schriftliche Begründung ist nachzuliefern, wenn eine Partei dies innert zehn Tagen seit der Eröffnung des Entscheides verlangt. Wird keine Begründung verlangt, so gilt dies als Verzicht auf die Anfechtung des Entscheides mit Berufung oder Beschwerde.

3 Vorbehalten bleiben die Bestimmungen des Bundesgerichtsgesetzes vom 17. Juni 2005 über die Eröffnung von Entscheiden, die an das Bundesgericht weitergezogen werden können.

Botschaften
Botschaft 2006 S. 7344 f.

Von grösster praktischer Bedeutung ist die Frage, ob der Entscheid schriftlich begründet werden muss. Der Vorentwurf schrieb dies grundsätzlich vor. Nur bei Verzicht der Parteien auf das Rechtsmittel war eine schriftliche Begründung entbehrlich (Art. 231 f. VE). Dieser Vorschlag stiess in der Vernehmlassung auf starke Kritik: Aus reinem Stillschweigen (Passivität) der Parteien dürfe den Gerichten kein derartiger Aufwand entstehen. Der Entwurf trägt diesen Einwänden Rechnung:

– Grundsätzlich darf das Gericht seinen Entscheid ohne schriftliche Begründung eröffnen (Art. 239 Abs. 1). Es kann sich darauf beschränken, den Parteien das schriftliche Entscheiddispositiv auszuhändigen, und zwar unmittelbar an der Hauptverhandlung selbst (wenn der Entscheid mündlich eröffnet und auch kurz mündlich begründet wird) oder nachträglich durch formelle Zustellung ( Art. 136 f.).


– Eine schriftliche Begründung ist aber unter gewissen Voraussetzungen nachzuliefern (Art. 239 Abs. 2): Zum einen, wenn es eine Partei innert zehn Tagen nach der Eröffnung verlangt (etwa zwecks internationaler Vollstreckung oder zwecks Rückgriffs auf eine Drittperson). Zudem wird ein schriftliches Entscheidmotiv unerlässlich, wenn eine Partei Berufung oder Beschwerde erhebt.

– Unterliegt der Entscheid einer Beschwerde an das Bundesgericht , bleiben die besonderen Anforderungen des Bundesgerichtsgesetzes vorbehalten (Art. 239 Abs. 3; vgl. Art. 112 BGG ). Dieser Vorbehalt richtet sich an die Gerichte, welche als einzige kantonale Instanzen entscheiden ( Art. 57 ; für die Entscheide der Rechtsmittelinstanzen vgl. Art. 318 Abs. 2 und 327 Abs. 5).


Doch kann es indessen effizienter sein, wenn das Gericht von allem Anfang an eine schriftliche Begründung liefert. Zu denken ist an Entscheide des summarischen Verfahrens : Dort darf die Begründung sehr knapp gehalten werden, weshalb den Gerichten kein grosser Aufwand entsteht (vgl. die Erläuterungen zu Art. 256 ). Zudem wird dadurch das Rechtsmittelverfahren vereinfacht und abgekürzt (vgl. die Erläuterungen zu 314 und 321 ).

Der Vorentwurf hatte eine Reduktion der Entscheidgebühr um mindestens einen Drittel vorgesehen, wenn die Parteien auf eine schriftliche Begründung verzichten (Art. 231 VE). Eine solche Bestimmung ist problematisch: Indirekt bestraft sie die (unterlegene) Partei dafür, dass sie wissen will, weshalb sie den Prozess verloren hat. Zudem würde ein solcher Rabatt in die Tarifhoheit der Kantone eingreifen ( Art. 96 ).

Der Vorentwurf hielt überdies fest, wann ein Entscheid formell rechtskräftig wird (vgl. Art. 234 VE). Der Entwurf verzichtet darauf, denn die formelle Rechtskraft ergibt sich ohne weiteres aus dem System der Rechtsmittel. Die Definition der materiellen Rechtskraft kann – wie bisher – Lehre und Rechtsprechung überlassen werden.

(auch) unter der revZPO anwendbarBotschaft 2020

S. 2761 f.: Art. 239 Abs. 2bis (nicht verabschiedete Änderung - vgl. jedoch Art. 315 und 325 Abs. 2 revZPO)

Aus dem Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV) leitet sich auch die Pflicht der Behörden und Gerichte ab, ihre Entscheide zu begründen. Entscheide nach Artikel 236 ff. ZPO sind daher grundsätzlich zu begründen (vgl. auch Art. 238 Bst. g ZPO). Artikel 239 sieht von diesem Grundsatz Ausnahmen vor, indem ausnahmsweise Entscheide ohne schriftliche Begründung eröffnet werden können; dies ist dann möglich, wenn entweder in der Hauptverhandlung das schriftliche Dispositiv übergeben und der Entscheid gleichzeitig kurz mündlich begründet wird (Art. 239 Abs. 1 Bst. a ZPO) oder wenn das Gericht den Parteien das Dispositiv förmlich zustellt (Art. 239 Abs. 1 Bst. b ZPO). In beiden Fällen läuft ab der Eröffnung des Entscheids eine Frist von zehn Tagen, innert der die Parteien eine schriftliche Begründung des Entscheids verlangen können. Wird keine schriftliche Begründung verlangt, gilt dies als Verzicht auf die Anfechtung des Entscheids und eine schriftliche Begründung unterbleibt gänzlich. Dieses Regime soll zukünftig neu auch für die Rechtsmittelinstanzen gelten (vgl. Art. 318 Abs. 2 und Art. 327 Abs. 5 E-ZPO und deren Erläuterungen).

Diese Regelung hat sich zwar insgesamt bewährt. Dennoch schlägt der Bundesrat in zwei Punkten eine Anpassung vor, die auch in der Vernehmlassung mehrheitlich unterstützt wurde (Bericht Vernehmlassung, Ziff. 5.36): Auch wenn ein Entscheid bei seiner Eröffnung (noch) nicht begründet ist, kann eine Partei ein berechtigtes Interesse haben, dass dieser Entscheid möglichst rasch vollstreckt werden kann, namentlich bei drohendem Rechtsverlust oder anderweitiger Dringlichkeit. Nach geltendem Recht bestehen für diese Fälle gewisse Rechtsunsicherheiten, die durch eine klare gesetzliche Regelung in einem neuen Artikel 336 Absatz 3 ZPO geklärt werden sollen: Auch ein ohne schriftliche Begründung eröffneter Entscheid ist – wie ein schriftlich begründeter Entscheid – vollstreckbar (vgl. die Erläuterungen zu Art. 336 Abs. 3 E-ZPO). In einem neuen Absatz 2bis gesetzlich zu regeln ist sodann die Möglichkeit der vorzeitigen Vollstreckung beziehungsweise des Aufschubs der Vollstreckung auch in diesen Fällen, sofern der Partei ein nicht leicht wiedergutzumachender Nachteil droht. Nach geltendem Recht ist die Zuständigkeit für das Einbringen der genannten Anliegen zwischen Eröffnung des unbegründeten Entscheids und Ergreifen eines Rechtsmittels nicht geregelt, zumal vor Vorliegen der schriftlichen Begründung auch kein Rechtsmittel eingereicht werden kann. Diese Lücke gilt es im Interesse der Rechtssicherheit zu füllen. Dies betrifft einerseits die Fälle, in denen gegen den Entscheid ein Rechtsmittel mit grundsätzlicher Suspensivwirkung zulässig ist (insb. Berufung). Andererseits geht es aber umgekehrt um Fälle, wo ohne Aufschub der Vollstreckung gestützt auf den unbegründeten Entscheid bereits vollstreckt werden könnte. In beiden Fällen soll neu das entscheidende Gericht zuständig sein. Überdies gilt, dass das Gericht zum Schutz der Gegenpartei nötigenfalls sichernde Massnahmen oder die Leistung einer Sicherheit anordnet (Abs. 2bis zweiter Satz). Auf die in der Vernehmlassungsvorlage vorgeschlagene Schaffung einer Ordnungsfrist für die schriftliche Begründung (vgl. Art. 239 Abs. 2 VE-ZPO) verzichtet der Bundesrat angesichts der Kritik in der Vernehmlassung (Bericht Vernehmlassung, Ziff. 5.36).

Änderung von Abs. 1, Einleitungssatz und lit. b: Vgl. AB 2021 S 684 f.; AB 2022 N 672, 674, 706 und 707 f.; AB 2022 S 648; AB 2022 N 2256 und 2262 f.; AB 2023 N 216 und 217; AB 2023 S 244 und 245; AB 2023 N 528, 529 und 530.