Artikel 8
Am 02.12.2024 aktualisiert
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Art. 8 Direkte Klage beim oberen Gericht

1 In vermögensrechtlichen Streitigkeiten kann die klagende Partei mit Zustimmung der beklagten Partei direkt an das obere Gericht gelangen, sofern der Streitwert mindestens 100 000 Franken beträgt.

2 Dieses Gericht entscheidet als einzige kantonale Instanz. Es ist auch für die Anordnung vorsorglicher Massnahmen vor Eintritt der Rechtshängigkeit zuständig. 

Version vor dem 01.01.2025

Art. 8 Direkte Klage beim oberen Gericht

1 In vermögensrechtlichen Streitigkeiten kann die klagende Partei mit Zustimmung der beklagten Partei direkt an das obere Gericht gelangen, sofern der Streitwert mindestens 100 000 Franken beträgt.

2 Dieses Gericht entscheidet als einzige kantonale Instanz.

Botschaften
Botschaft 2006 S. 7262

Wie der Vorentwurf sieht der Entwurf die Möglichkeit einer Prorogation der sachlichen Zuständigkeit bei der oberen kantonalen Instanz vor. Es muss sich aber um eine vermögensrechtliche Angelegenheit mit Streitwert von mindestens 100 000 Franken handeln (Abs. 1; vgl. auch Art. 75 Abs. 2 Bst. c BGG). Andere Streitsachen sind nicht prorogierbar.

Diese Parteioption hat sich in den Kantonen sehr bewährt. Zu denken ist vor allem auch an Kantone, welche keine spezielle Handelsgerichtsbarkeit kennen, in denen die Parteien die betreffenden Streitigkeiten aber zwecks Beschleunigung durch das obere kantonale Gericht erledigen lassen wollen. Der vorgeschlagene Mindeststreitwert von 100 000 Franken ist im Vergleich zu den heutigen kantonalen Regelungen relativ hoch. Er ist jedoch gerechtfertigt, weil hier eine ausserordentliche sachliche Zuständigkeit begründet wird. Nach Absatz 2 entscheidet das prorogierte Gericht als einzige kantonale Instanz. Seine Entscheide können demnach nicht bei einer weiteren kantonalen Instanz angefochten werden, auch nicht mit einem ausserordentlichen und beschränkten Rechtsmittel.

(auch) unter der revZPO anwendbarBotschaft 2020 S. 2731

Bereits nach geltendem Recht kann eine klagende Partei mit Zustimmung der beklagten Partei direkt an das obere kantonale Gericht gelangen, wenn es sich um eine vermögensrechtliche Streitigkeit handelt und der Streitwert mindestens 100 000 Franken beträgt (Art. 8 Abs. 1 ZPO). Dabei handelt es sich um einen Fall der sogenannten Prorogation. Ungeachtet eines internationalen Bezugs lässt sich damit bereits nach geltendem Recht vereinbaren, dass in diesen Fällen das obere kantonale Gericht als einzige Instanz zuständig sein soll; gegebenenfalls in Kombination mit einer Gerichtsstandsvereinbarung steht diese Möglichkeit auch dann zur Verfügung, wenn eine oder gar beide Parteien ihren Wohnsitz oder Sitz im Ausland haben. Auf der Grundlage dieser Regelung ist es bereits nach geltendem Recht möglich, dass auch ausländische Parteien ihre Streitigkeiten direkt dem oberen kantonalen Gericht zuweisen. Im Übrigen ist jedoch nach geltendem Recht eine Vereinbarung über die sachliche Zuständigkeit grundsätzlich unzulässig, so insbesondere mit Bezug auf die Zuständigkeit des Handelsgerichts (BGE 142 III 623 E.2; 138 III 471 E.3). Für die Zukunft ist es denkbar, dass Kantone im Rahmen der Organisation ihres oberen kantonalen Gerichts – und nicht des Handelsgerichts (vgl. dazu Art. 6 Abs. 4 E-ZPO und die Erläuterungen dazu) – spezialisierte Kammern oder Abteilungen mit spezifischen Verfahrensregeln zur Abwicklung internationaler Handelsstreitigkeiten schaffen.  

In diesem Zusammenhang ist zentral, dass das obere Gericht gegebenenfalls auch vorsorgliche Massnahmen anordnen kann, weshalb Absatz 2 von Artikel 8 ZPO anzupassen ist: Gleich wie bei den Artikeln 5 und 6 ZPO ist somit ergänzend zum bisherigen Recht festzuhalten, dass das obere Gericht auch für die Anordnung vorsorglicher Massnahmen vor Eintritt der Rechtshängigkeit der Klage zuständig ist, wie dies von der Lehre bereits zum geltenden Recht postuliert wird (vgl. David Rüetschi, Art. 8 N 18, in: ZK ZPO, 3. Aufl., Zürich 2016, m.w.H.; a.A. demgegenüber Dominik Gasser/Brigitte Rickli, ZPO Kurzkommentar, 2. Aufl., Zürich 2014, Art. 8 N 3 ).