Artikel 106
Am 14.12.2024 aktualisiert
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Art. 106 Verteilungsgrundsätze

1. Die Prozesskosten werden der unterliegenden Partei auferlegt. Bei Nichteintreten und bei Klagerückzug gilt die klagende Partei, bei Anerkennung der Klage die beklagte Partei als unterliegend.

2. Hat keine Partei vollständig obsiegt, so werden die Prozesskosten nach dem Ausgang des Verfahrens verteilt.

3. Sind am Prozess mehrere Personen als Haupt- oder Nebenparteien beteiligt, so bestimmt das Gericht ihren Anteil an den Prozesskosten nach Massgabe ihrer Beteiligung. Bei notwendiger Streitgenossenschaft kann es entscheiden, dass sie solidarisch haften. 

Version vor dem 01.01.2025

Art. 106 Verteilungsgrundsätze

1. Die Prozesskosten werden der unterliegenden Partei auferlegt. Bei Nichteintreten und bei Klagerückzug gilt die klagende Partei, bei Anerkennung der Klage die beklagte Partei als unterliegend.

2. Hat keine Partei vollständig obsiegt, so werden die Prozesskosten nach dem Ausgang des Verfahrens verteilt.

3. Sind am Prozess mehrere Personen als Haupt- oder Nebenparteien beteiligt, so bestimmt das Gericht ihren Anteil an den Prozesskosten. Es kann auf solidarische Haftung erkennen.

Botschaften
Botschaft 2006 S. 7296

Entsprechend einem klassischen Grundsatz des Zivilprozessrechts werden die Prozesskosten im Allgemeinen nach Massgabe des Obsiegens und Unterliegens verteilt. Als unterlegen gilt auch eine Partei, die ein Begehren zurückzieht, anerkennt oder auf deren Begehren nicht eingetreten wird. Anders als im Vorentwurf wird dies ausdrücklich präzisiert (Abs. 1). Unterliegen bzw. obsiegen beide Parteien teilweise, so werden die Prozesskosten verhältnismässig verteilt (Abs. 2). Der Vorentwurf sah nur für die notwendigen Streitgenossen eine solidarische Haftung für die Prozesskosten vor. In der Vernehmlassung wurde vorgeschlagen, die Regelung auf andere Fälle von Personenmehrheiten zu erweitern. Der Entwurf regelt daher die Haftung der Haupt- und Nebenparteien umfassend. Das Gericht kann auf anteilsmässige oder solidarische Haftung der am Verfahren beteiligten Haupt- oder Nebenparteien erkennen (Abs. 3).

(auch) unter der revZPO anwendbarBotschaft 2020  

S. 2742 f.: Art. 106 Abs. 3 

Artikel 106 ZPO regelt die Verteilung der Prozesskosten. Im Rahmen der Vernehmlassungsvorlage hatte der Bundesrat Anpassungen von Absatz 1 und Absatz 3 sowie einen neuen Absatz 1bis vorgeschlagen. Aufgrund des Vernehmlassungsergebnisses verzichtet der Bundesrat mit Ausnahme von Absatz 3 auf eine Anpassung der Bestimmung. Der Vorschlag einer besonderen Ausnahme vom sogenannten Unterliegensgrundsatz für den Fall, dass die beklagte Partei den eingeklagten Anspruch bei erster Gelegenheit sofort anerkennt (Ausnahme, die auch frühere kantonale (Insb. aZPO BE Art. 60 und aZPO JU § 59) und ausländische Zivilprozessordnungen (§ 93 dZPO und § 45 öZPO) kannten beziehungsweise kennen), wurde überwiegend als unnötiger Eingriff in das gerichtliche Ermessen abgelehnt (Bericht Vernehmlassung, Ziff. 5.18): Bereits nach geltendem Recht könne das Gericht unter Anwendung von Artikel 107 Absatz 1 Buchstabe f ZPO eine abweichende, billige Kostenverteilung vornehmen (vgl. z.B. Denis Tappy, Art. 106 N 31, in: CR CPC, 2. Aufl., Basel 2019). Absatz 3 regelt die Verteilung der Prozesskosten bei mehreren Haupt- oder Nebenparteien. Nach geltendem Recht haben mehrere als Parteien an einem Prozess beteiligte Personen die Prozesskosten anteilsmässig nach Ermessen des Gerichts zu tragen, wobei dieses in allen Fällen auf solidarische Haftung erkennen kann (Art. 106 Abs. 3 in fine). Diese Regelung führt in der Praxis dazu, dass insbesondere auch bei einfacher Streitgenossenschaft auf solidarische Haftung für die Prozesskosten entschieden werden kann und damit jeder Streitgenosse zumindest das hypothetische Kostenrisiko für die gesamten Prozesskosten trägt, indem er vor andern Streitgenossen zuerst auf die gesamten Prozesskosten in Anspruch genommen werden kann. Praktisch führt diese Regelung letztlich dazu, dass in vielen Fällen auf die prozessual durchaus interessante und ökonomische Verfahrensform der (einfachen) Streitgenossenschaft gerade auch in Massenschadensfällen verzichtet wird. Weil diese Kostenregelung in der geltenden Form nur beschränkt befriedigt, schlägt der Bundesrat folgende Anpassungen vor: 

– In Satz 1 ist präzisierend festzuhalten, dass das Gericht den Anteil mehrerer Haupt- oder Nebenparteien grundsätzlich nach Massgabe ihrer Beteiligung am Streit festlegt. 

– In Satz 2 ist neu festzuhalten, dass lediglich in den Fällen notwendiger Streitgenossenschaft (Art. 70 ZPO) auf solidarische Haftung entschieden werden kann. Diese Regel ist unverändert sinnvoll und sachgerecht in denjenigen Fällen, in denen über ein Rechtsverhältnis nur mit Wirkung für alle entschieden werden kann, und in denen zwischen den Parteien zumeist kraft materiellen Rechts ebenfalls Solidarität beziehungsweise eine solidarische Haftung besteht. Umgekehrt soll nach dem Vorschlag in den Fällen einfacher Streitgenossenschaft nicht mehr auf solidarische Haftung entschieden werden können. Wie erwähnt, wird damit gerade die Möglichkeit der einfachen Streitgenossenschaft insbesondere zur kollektiven Geltendmachung von Massenschäden gestärkt. 

Trotz teilweise ablehnender Stellungnahmen in der Vernehmlassung ist die vorgeschlagene Anpassung nach Ansicht des Bundesrates zur Verbesserung der Rechtsdurchsetzung sinnvoll und führt auch zu keiner nennenswerten Einschränkung des gerichtlichen Ermessens bei der Kostentragung oder der Einbringlichkeit der Gerichtskosten zulasten der Kantone.