Art. 1 Gegenstand
Dieses Gesetz regelt das Verfahren vor den kantonalen Instanzen für:
a. streitige Zivilsachen;
b. gerichtiche Anordnungen der freiwilligen Gerichtsbarkeit;
c. gerichtliche Angelegenheiten des Schuldbetreibungs- und Konkursrechts;
d. die Schiedsgerichtsbarkeit.
Die ZPO regelt – ganz allgemein gesprochen – das Verfahren
in Zivilsachen (Art. 1). Dabei spielt es keine Rolle, ob es um eine streitige
oder nichtstreitige Angelegenheit geht: Die ZPO gilt auch für die so genannte
freiwillige Gerichtsbarkeit (Bst. a und b). Während jedoch die streitigen
Sachen ausnahmslos erfasst werden, sind bei der freiwilligen Gerichtsbarkeit
wesentliche Einschränkungen zu machen. Nur die gerichtlichen Angelegenheiten
fallen unter die ZPO:
– Der Entwurf gilt somit nicht für die Registersachen (Zivilstandsregister,
Grundbuch, Handelsregister, Register des Geistigen Eigentums): Diese bleiben
– weil Gegenstand eigentlicher Verwaltungsverfahren – in den einschlägigen
Spezialerlassen geregelt.
– Die öffentliche Beurkundung fällt ebenfalls nicht unter die ZPO, sondern
bleibt Sache des kantonalen Rechts (
Art. 55 SchlT ZGB
).
– Keine Geltung hat die ZPO ferner für Zivilsachen, die von kantonalen
Verwaltungsbehörden behandelt werden (
Art. 54 SchlT ZGB
): Bei diesen wird weiterhin kantonales Verwaltungsverfahrensrecht zur
Anwendung kommen, wie das in der Vernehmlassung aus verfassungsrechtlichen
Gründen gefordert wurde. Doch steht es den Kantonen selbstverständlich
frei, die neue ZPO anwendbar zu erklären.
– Die ZPO gilt auch nicht automatisch für den Kindesschutz und das Vormundschaftsrecht.
Die Kantone bleiben im Rahmen des Zivilgesetzbuches zuständig, das Verfahren
zu regeln. Sie können die Verwaltungsjustiz für anwendbar erklären oder
das Verfahren der ZPO unterstellen. Der Entwurf für ein revidiertes Kindes-
und Erwachsenenschutzrecht hält an dieser Kompetenzordnung grundsätzlich
fest – allerdings mit einem deutlichen Bekenntnis zur neuen einheitlichen
ZPO: Diese wird neben den revidierten Verfahrensbestimmungen des ZGB zur
Anwendung kommen, wenn die Kantone nichts anderes vorsehen (
Art. 450f E-ZGB
). Im revidierten Kindes- und Erwachsenenschutz wird also «vermutungsweise»
Zivilprozessrecht gelten.
Dass das Verfahren für die freiwillige Gerichtsbarkeit nicht ganz vereinheitlicht
werden kann, liegt nicht nur an der föderalistischen Struktur unseres Landes,
sondern vor allem an der fehlenden Schärfe dieses Begriffes. Obwohl ein
klassischer und sehr geläufiger Terminus des Zivilprozessrechts, ist «freiwillige
Gerichtsbarkeit» viel eher eine historische als eine technische Bezeichnung.
Zu viele unterschiedliche Materien fallen darunter: Eigentliche Gerichtssachen
(diese werden allesamt von der ZPO erfasst), reine Verwaltungstätigkeit
(Register und öffentliche Beurkundung) bis hin zu eigentlicher Eingriffsverwaltung
oder Fürsorge (Massnahmen des Kindes- und Erwachsenenschutzes). Ihnen gemeinsam
ist nur, dass sie mit Zivilrecht in Zusammenhang stehen. Deshalb können
sie zwar mit der Beschwerde in Zivilsachen an das Bundesgericht weiter
gezogen werden (vgl.
Art. 72 Abs. 2 Bst. b BGG
), bei den Vorinstanzen jedoch bedingen die unterschiedlichen Materien
unterschiedliche Verfahren.
Die ZPO wird auch für die
gerichtlichen Angelegenheiten des SchKG
gelten (Art. 1 Bst. c). Dabei spielt es – wie schon nach geltendem Recht
– keine Rolle, ob der Streit wirklich zivilrechtlicher oder lediglich betreibungsrechtlicher
Natur ist, auch nicht, ob ein einlässliches (z.B. Aberkennung- oder Kollokationsprozess)
oder nur ein summarisches Verfahren (wie Rechtsöffnung oder Arrest) in
Frage steht. Auch einseitige Anordnungen der Gerichte (z.B. die Einstellung
des Konkurses mangels Aktiven, Ermächtigungen des Nachlassgerichts zur
Veräusserung oder Belastung von Anlagevermögen) werden nach den Regeln
der ZPO getroffen. Die Verfügungen der Vollstreckungsorgane hingegen (insbesondere
der Betreibungs- und Konkursämter) sowie die betreibungsrechtliche Beschwerde
(
Art. 17 ff. SchKG
) stehen ausserhalb der ZPO. Sie bleiben – wie bis anhin – eigenständige
Verwaltungsverfahren.
Der Geltungsbereich umfasst auch die sog.
Binnenschiedsgerichtsbarkeit
(Art. 1 Bst. d; vgl. die Erläuterungen zu den
Art. 353
ff.).