Artikel 199
Am 19.12.2024 aktualisiert
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Art. 199 Verzicht auf das Schlichtungsverfahren

1 Bei vermögensrechtlichen Streitigkeiten mit einem Streitwert von mindestens 100 000 Franken können die Parteien gemeinsam auf die Durchführung des Schlichtungsverfahrens verzichten.

2 Die klagende Partei kann einseitig auf das Schlichtungsverfahren verzichten, wenn:

a. die beklagte Partei Sitz oder Wohnsitz im Ausland hat;
b. der Aufenthaltsort der beklagten Partei unbekannt ist;
c. in Streitigkeiten nach dem Gleichstellungsgesetz vom 24. März 1995.

Botschaften
Botschaft 2006 S. 7329 f.

Der Vorentwurf hat im Grundsatz zwar ebenfalls ein vorgängiges Schlichtungsverfahren vorgesehen, doch wurden – neben dem  gesetzlichen  Ausnahmekatalog (Art. 193 VE) – den Parteien breite Verzichtsmöglichkeiten eingeräumt. In den vermögensrechtlichen Streitigkeiten mit einem Streitwert von mehr als 20 000 Franken konnte jede Partei sogar einseitig darauf verzichten (Art. 192 Abs. 2 VE). Nur in Angelegenheiten des vereinfachten Verfahrens erklärte der Vorentwurf den Schlichtungsversuch als zwingend. Dies stiess in der Vernehmlassung auf starke Kritik, welcher der Bundesrat Rechnung trägt: - Bei vermögensrechtlichen Streitigkeiten können die Parteien erst ab einem Streitwert von mindestens 100 000 Franken auf den Schlichtungsversuch verzichten (Abs. 1).  Der Verzicht muss ausserdem gemeinsam erfolgen, sei es  in Form einer ausdrücklichen Erklärung, sei es konkludent, indem die Gegenpartei sich der direkten Klageeinreichung nicht widersetzt. - Der einseitige Verzicht wird auf drei Fälle beschränkt (Abs. 2): Die beiden ersten (Bst. a und b) sind gewissermassen pathologisch (ausländisches Domizil einer Partei, unbekannter Aufenthalt der beklagten Partei).  Mit Blick auf eine möglichst rasche Begründung der Rechtshängigkeit der Streitsachen (Art. 62) kann sich aber auch hier ein Schlichtungsgesuch empfehlen. - Der dritte Fall übernimmt geltendes Recht, denn in Streitigkeiten nach dem Gleichstellungsgesetz ist ein vorgängiger Schlichtungsversuch grundsätzlich freiwillig (Bst. c; vgl. Art. 11 GlG, der aufgehoben werden kann; Ziff. 1 Anhang). Entsprechend wird der klagenden Partei eine einseitige Verzichtsmöglichkeit eingeräumt.