Art. 224 Widerklage
1 Die beklagte Partei kann in der Klageantwort Widerklage erheben, wenn der geltend gemachte Anspruch nach der gleichen Verfahrensart wie die Hauptklage zu beurteilen ist.
1bis Die Widerklage ist auch zulässig und zusammen mit der Hauptklage im ordentlichen Verfahren zu beurteilen, wenn:
a. der geltend gemachte Anspruch lediglich aufgrund des Streitwerts im vereinfachten Verfahren, die Hauptklage aber im ordentlichen Verfahren zu beurteilen ist; oder
b. mit der Widerklage auf Feststellung des Nichtbestehens eines Rechts oder Rechtsverhältnisses geklagt wird, nachdem mit der Hauptklage nur ein Teil eines Anspruchs aus diesem Recht oder Rechtsverhältnis eingeklagt wurde und deshalb lediglich aufgrund des Streitwerts das vereinfachte Verfahren Anwendung findet.
2 Übersteigt der Streitwert der Widerklage die sachliche Zuständigkeit des Gerichts, so hat dieses beide Klagen dem Gericht mit der höheren sachlichen Zuständigkeit zu überweisen.
3 Wird Widerklage erhoben, so setzt das Gericht der klagenden Partei eine Frist zur schriftlichen Antwort. Widerklage auf Widerklage ist unzulässig.
Art. 224 Widerklage
1 Die beklagte Partei kann in der Klageantwort Widerklage erheben, wenn der geltend gemachte Anspruch nach der gleichen Verfahrensart wie die Hauptklage zu beurteilen ist.
2 Übersteigt der Streitwert der Widerklage die sachliche Zuständigkeit des Gerichts, so hat dieses beide Klagen dem Gericht mit der höheren sachlichen Zuständigkeit zu überweisen.
3 Wird Widerklage erhoben, so setzt das Gericht der klagenden Partei eine Frist zur schriftlichen Antwort. Widerklage auf Widerklage ist unzulässig.
Die beklagte Partei braucht sich nicht auf die Bekämpfung der Klage zu beschränken. Vielmehr kann sie der klagenden Partei eigene Ansprüche entgegen stellen und Widerklage erheben. Die Widerklage ist eine selbstständige Klage. Sie bleibt bestehen, auch wenn die Klage zurückgezogen oder darauf nicht eingetreten wird. Dank Klage und Widerklage können Ansprüche und Gegenansprüche der Parteien in einem einzigen Prozess behandelt werden. Insofern dient die Widerklage der Prozessökonomie. Dem Gericht bleibt es unbenommen, die Klagen separat zu behandeln ( Art. 125 ). Die Widerklage ist gewöhnlich an drei Voraussetzungen geknüpft:
– Erstens ist sie nur zulässig, wenn für sie die gleiche Prozessart wie für die Hauptklage anwendbar ist ( Abs. 1 ). Gilt für die Hauptklage beispielsweise das vereinfachte Verfahren ( Art. 243 ), so kann keine Widerklage erhoben werden, die ins ordentliche Verfahren gehört. Dies gilt vollumfänglich auch nach dem Entwurf.
– Als zweite Voraussetzung hatte der Vorentwurf einen sachlichen Zusammenhang (Konnexität) von Klage und Widerklage verlangt (Art. 80 VE). Der Entwurf differenziert diesbezüglich: Konnexität der Widerklage ist nur notwendig, wenn der Gerichtsstand für sie einzig mit Artikel 14 begründet werden kann. Ergibt sich der Gerichtsstand der Widerklage jedoch zusätzlich aus einer anderen Gerichtsstandsnorm oder aus einer Gerichtsstandsklausel, so dürfen beim Hauptklagegericht auch sachfremde Gegenansprüche geltend gemacht werden.
– Wie schon im Vorentwurf wird nicht verlangt, dass das Hauptklagegericht für die Widerklage sachlich zuständig sein muss. Vielmehr werden Klage und Widerklage an das Gericht mit der grösseren Spruchkompetenz überwiesen, wenn der Streitwert des Widerklagebegehrens die Zuständigkeit des Hauptklagegerichts übersteigt ( Abs. 2 ). Diese Überweisung entspricht einem Anliegen der Vernehmlassung. Selbstverständlich kann sie nur stattfinden, wenn die Klägerin dadurch keine Instanz verliert. So darf in einem Prozess, der bei einem unteren kantonalen Gericht hängig ist, keine Widerklage erhoben werden, die in die sachliche Zuständigkeit der einzigen kantonalen Instanz – etwa des Handelsgerichts ( Art. 6 ) – fällt. Absatz 3 schliesslich verbietet die sog. Wider-Widerklage, denn der Prozess würde sonst zu kompliziert.
S. 2714 : Auch die Widerklage soll zukünftig verfahrensüberschreitend möglich sein, wenn dafür lediglich aufgrund des Streitwerts das vereinfachte Verfahren anwendbar ist, sowie im besonderen Fall der negativen Feststellungswiderklage (vgl. Art. 224 Abs. 1bis E-ZPO und dessen Erläuterungen).
S. 2759 f.: Art. 224 Abs. 1bis
Die beklagte Partei kann spätestens in der Klageantwort Widerklage erheben und damit eigene Ansprüche geltend machen; die Widerklage ist eine selbstständige Klage, die als solche bestehen bleibt, auch wenn die Klage zurückgezogen oder darauf nicht eingetreten wird, und ermöglicht die gemeinsame Behandlung von Ansprüchen und Gegenansprüchen in einem einzigen Prozess. Sie dient somit wie die Klagenhäufung, mit der sie eng verwandt ist, vorab der Prozessökonomie und ist von eminenter praktischer Bedeutung.
Wie die Praxisauswertung zeigt, funktioniert die gesetzliche Regelung der Widerklage gemäss Artikel 224 ZPO grundsätzlich gut. Gleichwohl hat sich gezeigt, dass – vergleichbar mit der objektiven Klagenhäufung nach Artikel 90 ZPO – nach geltendem Recht die Zulässigkeit der Widerklage eingeschränkt ist, insbesondere in Bezug auf die Voraussetzung der gleichen Verfahrensart. Zwischenzeitlich hat das Bundesgericht der mehrheitlich vertretenen Ansicht folgend entschieden, dass eine auf eine echte Teilklage im vereinfachten Verfahren erhobene negative Feststellungswiderklage zulässig ist, auch wenn diese den Streitwert für das vereinfachte Verfahren übersteigt und damit grundsätzlich im ordentlichen Verfahren zu beurteilen wäre (BGE 143 III 506 E. 4 m.w.H. auf die Lehre). Nach Ansicht des Bundesrates besteht hier gesetzlicher Klärungs- und Anpassungsbedarf, zumal das Verhältnis zwischen den Regelungen der Artikel 224 und 94 ZPO über die Streitwertberechnung bei Widerklage zu Unklarheiten führt.
Im Rahmen der Vernehmlassungsvorlage hatte der Bundesrat parallel zur objektiven Klagenhäufung die Streichung der Voraussetzung der gleichen Verfahrensart und damit generell die Zulässigkeit verfahrensübergreifender Widerklagen vorgeschlagen; im Gegenzug sollten Widerklagen jedoch nur unter der Voraussetzung eines sachlichen Zusammenhangs zulässig sein (vgl. Art. 224 Abs. 1bis und 2 VE-ZPO). Dieser Vorschlag wurde in der Vernehmlassung kritisch oder sogar ablehnend beurteilt: Mehrheitlich abgelehnt wurde der Vorschlag der Konnexität als Voraussetzung einer Widerklage, kritisch beurteilt wurden auch die generelle Zulässigkeit verfahrensübergreifender Widerklagen sowie der Vorschlag zur Anwendung bestimmter Grundsätze des vereinfachten Verfahrens im ordentlichen Verfahren (Bericht Vernehmlassung, Ziff. 5.34).
Angesichts dieser Kritik verzichtet der Bundesrat auf diese Vorschläge und schlägt vielmehr einzig eine Ergänzung von Artikel 224 ZPO mit einem neuen Absatz 1bis in überarbeiteter Form vor. Demnach soll die Widerklage über die Fälle gleicher Verfahrensart gemäss Artikel 224 Absatz 1 ZPO hinaus zukünftig nur, aber immerhin in zwei spezifischen Konstellationen «verfahrensübergreifend» zulässig sein:
– Nach Buchstabe a soll es zukünftig zulässig sein, widerklageweise einen Anspruch geltend zu machen, der lediglich aufgrund des Streitwerts im vereinfachten Verfahren zu beurteilen ist, wenn die Hauptklage im ordentlichen Verfahren zu beurteilen ist. Zwar hat dies zur Folge, dass die Widerklage zusammen mit der Hauptklage im ordentlichen Verfahren zu beurteilen (Art. 224 Abs. 1bis Einleitungssatz E-ZPO). Dies ist jedoch deshalb gerechtfertigt, weil die beklagte Partei die Wahl hat, ob sie ihren Anspruch in einer separaten Klage im vereinfachten Verfahren oder widerklageweise, dann aber im ordentlichen Verfahren geltend machen will; insofern ist sie nicht schutzwürdig. In vielen Fällen wird die beklagte Partei aber nur schon aus Effizienz- und Zeitgründen ein grosses Interesse an der widerklageweisen Geltendmachung haben. Die Möglichkeit einer solchen verfahrensübergreifenden Widerklage entspricht einem praktischen Bedürfnis und ist nach einem grossen Teil der Lehre bereits nach geltendem Recht zulässig (Vgl. etwa Christian Fraefel, Art. 243 N 12, in: KUKO ZPO, 2. Aufl., Basel 2014; Dominik Gasser/Brigitte Rickli, Art. 224 N 3 in: ZPO, 2. Aufl., Zürich 2014; Christoph Leuenberger, Art. 243 N 14 in: ZK ZPO, 3. Aufl., Zürich 2016; Denis Tappy, Art. 224 N 14 in: CR CPC, 2. Aufl., Basel 219; a.A. Daniel Willisegger, Art. 243 N 43 in: BSK-ZPO, 3. Aufl., Basel 2017; Eric Pahud, Art. 224 N 15 in: DIKE ZPO, 2. Aufl., Zürich 2016.); das Bundesgericht hat die Frage bisher nicht beurteilt (vgl. BGE 143 III 506 E. 3.2.4). Diese Regelung entspricht auch der vorgeschlagenen Möglichkeit einer ausnahmsweise zulässigen verfahrensübergreifenden Klagenhäufung (vgl. Art. 90 Abs. 2 E-ZPO und dessen Erläuterungen).
– Mit Buchstabe b soll ein weiterer Fall einer verfahrensübergreifenden Widerklage gesetzlich geregelt werden: In Übereinstimmung mit der erwähnten bundesgerichtlichen Rechtsprechung soll es zukünftig von Gesetzes wegen zulässig sein, widerklageweise negative Feststellungsklage zu erheben, wenn hauptklageweise eine echte Teilklage im vereinfachten Verfahren erhoben wurde, und zwar auch dann, wenn der Streitwert der negativen Feststellungsklage die Anwendbarkeit des ordentlichen Verfahrens zur Folge hat (BGE 143 III 506 E. 4). Auch wenn es hier um den umgekehrten Fall einer Widerklage im ordentlichen Verfahren gegenüber einer Hauptklage im vereinfachten Verfahren geht und die negative Feststellungswiderklage dazu führt, dass Haupt- und Widerklage zusammen im ordentlichen Verfahren zu beurteilen sind, so sprechen nicht nur prozessökonomische Überlegungen, sondern insbesondere der Schutz der legitimen Parteiinteressen und die prozessuale Gleichbehandlung dafür, die negative Feststellungsklage auch in diesem Fall zuzulassen.
Vgl. auch AB 2021 S 671 f. und 684; AB 2022 N 671 f., 674 und 701 f.; AB 2022 S 647 f.; AB 2022 N 2251 f., 2257, 2258 und 2261; AB 2023 S 8 und 9.