Artikel 6
Am 21.07.2023 aktualisiert
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Art. 6 Handelsgericht

1 Die Kantone können ein Fachgericht bezeichnen, welches als einzige kantonale Instanz für handelsrechtliche Streitigkeiten zuständig ist (Handelsgericht).

2 Eine Streitigkeit gilt als handelsrechtlich, wenn:

a. die geschäftliche Tätigkeit mindestens einer Partei betroffen ist;
b. gegen den Entscheid die Beschwerde in Zivilsachen an das Bundesgericht offen steht; und
c. die Parteien im schweizerischen Handelsregister oder in einem vergleichbaren ausländischen Register eingetragen sind.

3 Ist nur die beklagte Partei im schweizerischen Handelsregister oder in einem vergleichbaren ausländischen Register eingetragen, sind aber die übrigen Voraussetzungen erfüllt, so hat die klagende Partei die Wahl zwischen dem Handelsgericht und dem ordentlichen Gericht.

4 Die Kantone können das Handelsgericht ausserdem zuständig erklären für:

a. Streitigkeiten nach Artikel 5 Absatz 1;
b. Streitigkeiten aus dem Recht der Handelsgesellschaften und Genossenschaften.

5 Das Handelsgericht ist auch für die Anordnung vorsorglicher Massnahmen vor Eintritt der Rechtshängigkeit einer Klage zuständig.

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S. 7261 f.

Die Handelsgerichtsbarkeit spielt in den vier grossen schweizerischen Mittellandkantonen  Aargau, Bern, St. Gallen und Zürich eine wichtige Rolle. Sie hat sich in der Praxis ausserordentlich bewährt. Ihr grosser Vorteil liegt im Zusammenwirken von höheren Berufsrichtern und -richterinnen und fachkundigen Laienhandelsrichterinnen und -richtern aus den jeweils vom Streit betroffenen Branchen. Das Handelsgericht ist somit ein Fachgericht. Die vier bestehenden Handelsgerichte sind sodann auf der oberen kantonalen Gerichtshierarchie angesiedelt, was die Akzeptanz ihrer Urteile erhöht. Auch aus internationaler Sicht ist die Handelsgerichtsbarkeit aus den vier Kantonen nicht mehr wegzudenken.

Die ZPO überlässt es wie bisher dem freien Willen der Kantone, solche Fachgerichte einzusetzen. Doch liegt dem Bundesrat – wie schon der Expertenkommission – sehr daran, die Handelsgerichtsbarkeit aufzuwerten. Diesbezüglich geht der Entwurf sogar noch einen Schritt weiter als der Vorentwurf: Das Handelsgericht wird als einzige kantonale Instanz entscheiden. Es gibt kein innerkantonales Rechtsmittel gegen sein Urteil, auch kein beschränktes, wie dies der Vorentwurf noch vorgesehen hatte. Vielmehr unterliegt der Entscheid des Handelsgerichts künftig unmittelbar der Beschwerde in Zivilsachen an das Bundesgericht. Das BGG erlaubt diese Durchbrechung der «double instance» ausdrücklich (Art. 75 Abs. 2 Bst. b BGG). Der Entwurf setzt diese sachgerechte Option um und kommt damit den in der Vernehmlassung mit Nachdruck geäusserten Anliegen nach (Abs. 1). Die Abkürzung des Instanzenzugs kann nicht nur mit der Fachkompetenz des Spezialgerichtes gerechtfertigt werden. Sie dient vielmehr auch der Beschleunigung der Prozesse, die bei der Handelsgerichtsbarkeit eine herausragende Rolle spielt.

Die sachliche Zuständigkeit der Handelsgerichte orientiert sich an den geltenden kantonalen Regelungen. Sie wird durch drei Kriterien bestimmt: Erstens muss die geschäftliche Tätigkeit mindestens einer Partei betroffen sein (Abs. 2 Bst. a), zweitens muss die Streitigkeit mit der Beschwerde in Zivilsachen beim Bundesgericht überhaupt anfechtbar sein (Abs. 2 Bst. b), und drittens schliesslich bedarf es des Eintrages der Firma beider Parteien im Handelsregister oder in einem vergleichbaren ausländischen Register (Abs. 2 Bst. c). Im Gegensatz zum Vorentwurf müssen somit beide Parteien im Handelsregister eingetragen sein. Diesbezüglich ist der Entwurf strenger als das geltende Recht. Auch die Einlassung ist – anders als nach dem Vorentwurf – nicht mehr möglich. Diese Abweichungen liegen darin begründet, dass sonst Konsumentenstreitigkeiten bei einem Streitwert von über 30 000 Franken – z.B. aus Kauf eines privaten Personenwagens – plötzlich der Handelsgerichtsbarkeit unterstehen würden (statt dem ordentlichen Verfahren). Und bei Einlassung liefe eine Partei Gefahr, unwissentlich auf das ordentliche Verfahren zu verzichten und damit auch eine Instanz zu verlieren. Trotz dieser Einschränkung ist die sachliche Zuständigkeit des Handelsgerichts bewusst sehr weit gefasst. Absatz 3 ermöglicht es den Kantonen, sie sogar noch zusätzlich auszudehnen: Zum einen auf die Streitigkeiten des Art. 5, sodann ganz allgemein auf Streitigkeiten aus Gesellschafts- sowie Anlagefonds- und Anleihensrecht. Es steht den Kantonen frei, für diese Angelegenheiten Streitwertgrenzen festzusetzen. Zu beachten ist, dass das Handelsgericht in seinem Zuständigkeitsbereich immer auch für die Anordnung vorsorglicher Massnahmen zuständig ist (Abs. 4). Diese Kompetenzattraktion drängt sich im Interesse eines einheitlichen Verfahrens auf.