Artikel 304
Am 29.12.2024 aktualisiert
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Art. 304 Zuständigkeit

1. Über die Hinterlegung, die vorläufige Zahlung, die Auszahlung hinterlegter Beiträge und die Rückerstattung vorläufiger Zahlungen entscheidet das für die Beurteilung der Klage zuständige Gericht.

2. Im Fall einer Unterhaltsklage entscheidet das Gericht auch über die elterliche Sorge sowie die weiteren Kinderbelange. Steht das Kindesverhältnis fest, haben die Eltern Parteistellung. Das Gericht kann die Parteirollen verteilen.

Version vor dem 01.01.2025

Art. 304 Zuständigkeit

1. Über die Hinterlegung, die vorläufige Zahlung, die Auszahlung hinterlegter Beiträge und die Rückerstattung vorläufiger Zahlungen entscheidet das für die Beurteilung der Klage zuständige Gericht.

2. Im Fall einer Unterhaltsklage entscheidet das Gericht auch über die elterliche Sorge sowie die weiteren Kinderbelange.

Botschaften
(auch) unter der revZPO anwendbarBotschaft 2020

S. 2717: Der Bundesrat [schlägt] namentlich vor, dass streitige Verfahren des Familienrechts zukünftig im vereinfachten Verfahren behandelt werden sollen, soweit nicht das summarische Verfahren anwendbar ist. (...) Daneben sollen weitere verfahrensrechtliche Komplikationen im Bereich der Unterhaltsstreitigkeiten behoben werden (vgl. Art. 304 Abs. 2 zweiter und dritter Satz E-ZPO und deren Erläuterungen).

S. 2769 f.: Art. 304 Abs. 2 zweiter und dritter Satz

Artikel 304 ZPO befasst sich mit bestimmten Aspekten der Zuständigkeit bei Unterhalts- und Vaterschaftsklagen. Im Rahmen der Revision des Kindesunterhaltsrechts255 wurde ein neuer Artikel 304 Absatz 2 ZPO eingeführt, der seit dem 1. Januar 2017 in Kraft ist. Demnach entscheidet im Fall einer Unterhaltsklage eines minderjährigen Kindes das Gericht auch über die elterliche Sorge sowie die weiteren Kinderbelange. Mit dieser Kompetenzattraktion ist das mit einer Unterhaltsklage befasste Gericht auch zur annexweisen Regelung der Kinderbelange zuständig, damit die Frage des Unterhalts nicht mehr isoliert, sondern zusammen mit sämtlichen Kinderbelangen, insbesondere der Frage der elterlichen Sorge und der Betreuung, beurteilt wird.256

Zwar hat sich diese Kompetenzattraktion seit Inkrafttreten im Grundsatz bewährt; gleichzeitig wurde verschiedentlich Kritik an den verfahrensrechtlichen Aspekten des Unterhaltsrechts geäussert und es wurden Verbesserungsvorschläge gemacht.257 So wurde auch in der Vernehmlassung von verschiedener Seite eine Anpassung gewünscht.258 Problematisch ist vor allem, dass in der Praxis zufolge Kompetenzattraktion zumeist das Kind und beide Elternteile am Verfahren beteiligt sind,259 oft in der Form einer Unterhaltsklage des Kindes gegen einen Elternteil sowie einer Auseinandersetzung zwischen den beiden Elternteilen über die weiteren Kinderbelange, was verfahrensmässig jedoch auf der Grundlage des geltenden Rechts kaum befriedigend gelöst werden kann. Nach Prüfung der Vorschläge beantragt der Bundesrat im Rahmen dieser Anpassung daher eine Ergänzung von Artikel 304 ZPO: Die Eltern sollen in einem solchen Fall der Kompetenzattraktion stets Parteistellung haben, wenn das Kindesverhältnis feststeht (Abs. 2 zweiter Satz). In diesen Fällen kann das Gericht wie bei einer Scheidungsklage die Parteirollen verteilen (Abs. 2 dritter Satz). Dadurch sollen die bestehenden verfahrensrechtlichen Schwierigkeiten in Fällen der Kompetenzattraktion gelöst werden, ohne dass etwa eine neue Form der Beiladung oder gar ein förmliches Dreiparteienverfahren geschaffen wird. Analog kann auch bei Vaterschaftsklagen vorgegangen werden, wenn nach Artikel 298c ZGB über die elterliche Sorge zu entscheiden ist. Daraus resultiert in diesen Fällen für das Kind eine Situation, wie wenn seine Eltern verheiratet wären, und das Kind ist ebenfalls am Verfahren beteiligt, mit den entsprechenden Verfahrensrechten analog Artikel 297 ff. ZPO, allenfalls mit einem Beistand gemäss Artikel 308 ZGB. Grundsätzlich liegt im Fall der Klage eines Kindes, vertreten durch die Mutter, auch bei gemeinsamer elterlicher Sorge keine Interessenkollision bei der Mutter vor.260

Beispiel 1: Vater V des minderjährigen Kindes K beantragt bei der KESB die Regelung der Betreuungsanteile und der Obhut. K, vertreten durch die nicht mit V verheiratete Mutter M, erhebt beim Gericht Klage gegen V auf Unterhalt (Art. 279 ZGB). Dieses Gericht entscheidet nun über die Unterhaltsklage und über die weiteren (nicht finanziellen) Kinderbelange (Art. 304 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Das Gericht verteilt im Prozess die Parteirollen unter den Eltern M und V. K ist beziehungsweise bleibt ebenfalls am Verfahren beteiligt. Wenn es die Umstände erforderlich machen, wird es von einem Beistand oder einer Kindesvertretung unterstützt oder vertreten.

Beispiel 2: K ist das minderjährige Kind von Vater V und Mutter M, welche nicht miteinander verheiratet sind. K, vertreten durch M, klagt gegen V auf Unterhalt (Art. 279 ZGB). Alle weiteren (nicht finanziellen) Kinderbelange sind nicht streitig. Parteien des Verfahrens sind K und V.

Damit wird eine einfache und praktikable Regelung innerhalb des bestehenden Systems geschaffen, die es ermöglicht, in einem Verfahren zwischen beiden Elternteilen und dem Kind (allenfalls den Kindern) sämtliche Kinderbelange (insb. elterliche Sorge, Betreuung/Obhut) einschliesslich des Kinderunterhalts zu regeln. Zu beachten ist, dass diese Regelung wie erwähnt nur bei minderjährigen Kindern zur Anwendung kommen kann.

S. auch AB 2021 S 672 et 692; AB 2022 N 710.