Artikel 83
Am 13.11.2024 aktualisiert
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Art. 83

1 Wird das Streitobjekt während des Prozesses veräussert, so kann die Erwerberin oder der Erwerber an Stelle der veräussernden Partei in den Prozess eintreten.

2 Die eintretende Partei haftet für die gesamten Prozesskosten. Für die bis zum Parteiwechsel aufgelaufenen Prozesskosten haftet die ausscheidende Partei solidarisch mit.

3 In begründeten Fällen hat die eintretende Partei auf Verlangen der Gegenpartei für die Vollstreckung des Entscheides Sicherheit zu leisten.

4 Ohne Veräusserung des Streitobjekts ist ein Parteiwechsel nur mit Zustimmung der Gegenpartei zulässig; besondere gesetzliche Bestimmungen über die Rechtsnachfolge bleiben vorbehalten.

Message
S. 7286

Meistens stehen sich während des ganzen Prozesses die gleichen Parteien gegenüber. Die Frage eines Parteiwechsels kann sich jedoch stellen, wenn das Streitobjekt während des Verfahrens veräussert wird (Abs. 1). So kann beispielsweise die beklagte Partei das Gemälde verkaufen, auf dessen Herausgabe sie vom Eigentümer oder von der Eigentümerin belangt wird (es sei denn, die klagende Partei habe dies mit vorsorglichen Massnahmen rechtzeitig zu verhindern gewusst). Oder die klagende Partei kann ihre eingeklagte Forderung während des Prozesses abtreten. In solchen Fällen der sog. Einzelrechtsnachfolge können die Erwerber (der Käufer des Gemäldes bzw. der Zessionar der Forderung) in den Prozess eintreten und die ursprüngliche Partei – falls sie dies will – ersetzen. Die Zustimmung der Gegenpartei ist nicht erforderlich, diese kann nur verlangen, dass die eintretende Partei für die spätere Vollstreckung Sicherheit leistet (Abs. 3). Die Sicherheit umfasst auch die mutmassliche Parteientschädigung. Sodann trifft die eintretende Partei die volle Kostenpflicht, doch haftet die ausscheidende Partei für die bisher aufgelaufenen Prozesskosten solidarisch mit (Abs. 2). Die eintretende Partei nimmt den Prozess so auf, wie er sich im Moment des Parteiwechsels darbietet. Prozesshandlungen und Versäumnisse der ausscheidenden Partei behalten somit ihre Wirkung, wie wenn die Nachfolgerin schon von Anfang an Partei gewesen wäre. Das Urteil ergeht nur für oder gegen die eintretende Partei. Ein Parteiwechsel bei Veräusserung des Streitobjekts ist indessen keineswegs zwingend. Die veräussernde Partei kann den Prozess als sog. Prozessstandschafterin weiterführen, denn nach anerkannten Grundsätzen behält sie ihr Prozessführungsrecht. Die Gegenpartei kann ihre Rechtsbegehren an die veränderte Sachlage anpassen (Art. 227). So wird der Eigentümer, der ursprünglich auf Herausgabe des Gemäldes geklagt hat, sein Rechtsbegehren auf Bezahlung einer Geldsumme (Wertersatz) ändern, wenn die beklagte Partei trotz Verkaufs des Streitobjekts im Prozess verbleibt. Die beklagte Partei ist zwar weiterhin zur Herausgabe verpflichtet, doch wäre diese Pflicht nicht mehr real durchsetzbar. Die Aufrechterhaltung des ursprünglichen Rechtsbegehrens würde daher keinen Sinn mehr machen. Ohne Veräusserung des Streitobjekts ist der gewillkürte Parteiwechsel nur mit Zustimmung der Gegenpartei zulässig (Abs. 4)109. Das Gesetz kann jedoch eine andere Regelung treffen, wie z.B. für die Universalsukzession (Erbgang [Art. 560 ZGB] oder Fusion [Art. 22 FusG]). Hier tritt die Nachfolge unmittelbar kraft Gesetzes ein. Zu denken ist auch an die abgeleiteten Klagerechte nach SchKG (Art. 131 Abs. 1 und 260 SchKG). In diesen Fällen ist die Zustimmung der Gegenpartei ebenfalls nicht erforderlich.