Art. 85 Unbezifferte Forderungsklage
1 Ist es der klagenden Partei unmöglich oder unzumutbar, ihre Forderung bereits zu Beginn des Prozesses zu beziffern, so kann sie eine unbezifferte Forderungsklage erheben. Sie muss jedoch einen Mindestwert angeben, der als vorläufiger Streitwert gilt.
2 Die Forderung ist zu beziffern, sobald die klagende Partei nach Abschluss des Beweisverfahrens oder nach Auskunftserteilung durch die beklagte Partei dazu in der Lage ist. Das angerufene Gericht bleibt zuständig, auch wenn der Streitwert die sachliche Zuständigkeit übersteigt.
Ausnahmsweise ist die klagende Partei nicht verpflichtet, ihr Rechtsbegehren zu beziffern (Abs. 1). Diese Regelung entspricht der bundesgerichtlichen Rechtsprechung (BGE 116 II 215, 131 III 243). Immerhin ist als Streitwert ein Mindestbetrag anzugeben (Abs. 1 Satz 2), damit die sachliche Zuständigkeit des Gerichts gleichwohl bestimmt werden kann.
Sobald die klagende Partei jedoch dazu in der Lage ist, muss sie die Forderung beziffern (Abs. 2). Das wird spätestens nach Abschluss des Beweisverfahrens der Fall sein. Das befasste Gericht bleibt zuständig, auch wenn der nun feststehende Streitwert seine Spruchkompetenz übersteigt (Abs. 2 Satz 2). Das ist ökonomischer als eine Prozessüberweisung, vor allem wenn das Gericht bereits die Beweise abgenommen hat. Mit dieser Präzisierung trägt der Entwurf einem Anliegen der Vernehmlassung Rechnung. Auch die in der Rechtsprechung (BGE 123 III 140, 116 II 215, 220) anerkannte Stufenklage ist nach dieser Bestimmung möglich. Die klagende Partei kann eine unbezifferte Forderungsklage mit einem Begehren um vorgängige Rechnungslegung (Auskunftserteilung durch die beklagte Partei) verbinden. Hauptanspruch ist die verlangte Geldleistung, Hilfsanspruch die vorgängige Auskunftserteilung. Erst nach der Durchsetzung des Hilfsanspruchs ist die klagende Partei in der Lage, die Leistung exakt zu quantifizieren. Im Sinne der Verfahrensökonomie kann das Gericht den Prozess zunächst auf die Frage der Rechnungslegung beschränken (Art. 125). Die vorgängige Auskunftserteilung muss jedoch nicht unbedingt zum Gegenstand eines separaten Rechtsbegehrens gemacht werden. Vielmehr ist auch möglich, lediglich ein unbeziffertes Leistungsbegehren zu stellen und die zur Auskunftserteilung notwenigen Urkunden im Rahmen des Beweisverfahrens edieren zu lassen. Verweigert die beklagte Partei die Mitwirkung, so berücksichtigt dies das Gericht im Rahmen der Beweiswürdigung (Art. 164). Bei Obstruktion der Gegenpartei kann nach einhelliger Praxis sogar eine Umkehr der Beweislast angenommen werden. Auch im kantonalen Prozessrecht ist die Stufenklage nicht ausdrücklich vorgesehen; nur das Vollstreckungsrecht nimmt auf sie teilweise Bezug.