Art. 315 Aufschiebende Wirkung
1 Die Berufung hemmt die Rechtskraft und die Vollstreckbarkeit des angefochtenen Entscheids im Umfang der Anträge.
2 Keine aufschiebende Wirkung hat die Berufung gegen Entscheide über:
a. das Gegendarstellungsrecht;
b. vorsorgliche Massnahmen;
c. Anweisungen an die Schuldner;
d. die Sicherstellung des Unterhalts.
3 Richtet sich die Berufung gegen einen Gestaltungsentscheid, so hat sie stets aufschiebende Wirkung.
4 Wenn der betroffenen Partei ein nicht leicht wiedergutzumachender Nachteil droht, kann die Rechtsmittelinstanz auf Gesuch:
a. die vorzeitige Vollstreckbarkeit bewilligen und nötigenfalls sichernde Massnahmen oder die Leistung einer Sicherheit anordnen; oder
b. in den Fällen nach Absatz 2 die Vollstreckbarkeit ausnahmsweise aufschieben.
5 Die Rechtsmittelinstanz kann bereits vor der Einreichung der Berufung entscheiden. Die Anordnung fällt ohne Weiteres dahin, wenn keine Begründung des erstinstanzlichen Entscheids verlangt wird oder die Rechtsmittelfrist unbenutzt abläuft.
Art. 315 Aufschiebende Wirkung
1 Die Berufung hemmt die Rechtskraft und die Vollstreckbarkeit des angefochtenen Entscheids im Umfang der Anträge.
2 Die Rechtsmittelinstanz kann die vorzeitige Vollstreckung bewilligen. Nötigenfalls ordnet sie sichernde Massnahmen oder die Leistung einer Sicherheit an.
3 Richtet sich die Berufung gegen einen Gestaltungsentscheid, so kann die aufschiebende Wirkung nicht entzogen werden.
4 Keine aufschiebende Wirkung hat die Berufung gegen Entscheide über:
a.
das Gegendarstellungsrecht;
b.
vorsorgliche Massnahmen.
5 Die Vollstreckung vorsorglicher Massnahmen kann ausnahmsweise aufgeschoben werden, wenn der betroffenen Partei ein nicht leicht wiedergutzumachender Nachteil droht.
Aufschiebende Wirkung - Weil die Berufung ein ordentliches Rechtsmittel ist, kommt ihr grundsätzlich aufschiebende Wirkung zu (Abs. 1). Solange die Berufungsklägerin lediglich Berufung erklärt hat (Art. 307 [alte Fassung]), gilt der Suspensiveffekt umfassend. Je nach Anträgen kann er sich nach Eingang der Berufungsbegründung reduzieren, sodass der unangefochtene Teil des Entscheids in Rechtskraft erwächst und vollstreckt werden kann. Diese Teilrechtskraft entspricht modernem Prozessrecht. Der Suspensiveffekt schiebt sowohl die Rechtskraft wie auch die Vollstreckbarkeit auf. Doch kann die Rechtsmittelinstanz die vorzeitige Vollstreckung bewilligen, so dass auch ein formell noch nicht rechtskräftiger Entscheid vollstreckt werden darf (Abs. 2). Die sofortige Vollstreckung kann etwa beim Rechtsschutz in klaren Fällen (Art. 257) angebracht sein. Auch für ein Geldurteil ist sie zulässig, wodurch der Entscheid trotz fehlender Rechtskraft zur definitiven Rechtsöffnung führt (vgl. Art. 79 E-SchKG, Ziff. 17 des Anhangs). Die damit verbundene Erleichterung der Vollstreckung liegt im Interesse eines zeitgerechten Rechtsschutzes. Entsprechend der Forderung einzelner Vernehmlassungsteilnehmerinnen und -teilnehmer kann die Rechtsmittelinstanz zu Gunsten der Gegenpartei sichernde Massnahmen oder eine Sicherheitsleistung anordnen. Nur bei Gestaltungsurteilen entfällt die Möglichkeit vorzeitiger Vollstreckung (Abs. 3; vgl. auch Art. 103 Abs. 2 Bst. a BGG). Ausnahmsweise kommt der Berufung von Gesetzes wegen keine aufschiebende Wirkung zu (Abs. 4), so bei Anordnungen betreffend das Gegendarstellungsrecht sowie bei der Anfechtung vorsorglicher Massnahmen. Solche Entscheide müssen sofort vollzogen werden können. Bezüglich des Gegendarstellungsrechts entspricht die Regelung geltendem Bundesrecht (Art. 28l Abs. 4 ZGB; diese Bestimmung kann somit aufgehoben werden; Ziff. 3 des Anhangs). Die Vollstreckung einer vorsorglichen Massnahme kann indessen aufgeschoben werden, wenn der betroffenen Partei ein nicht leicht wieder gutzumachender Nachteil droht (Abs. 5).
S. 2760 f. - Art. 236 Abs. 4 E-ZPO [teilw. übernommen in Art. 315 Abs. 5 revZPO]
(...) In den Fällen, in denen ein Entscheid mit seiner Ausfällung mangels Rechtsmittel mit Suspensivwirkung sofort vollstreckbar ist (wie dies grundsätzlich bei fehlender Berufungsmöglichkeit der Fall ist), hat auch die unterliegende Partei ein Interesse an einem effektiven und raschen Rechtsschutz und damit daran, dass ihr auf Antrag bereits das entscheidende Gericht insofern zu Hilfe kommen kann, dass es die Vollstreckung ausnahmsweise einstweilen bis zu einem entsprechenden Entscheid der Rechtsmittelinstanz aufschiebt. Denn erfahrungsgemäss kann bis zu einem solchen Entscheid der Rechtsmittelinstanz gemäss Artikel 325 Absatz 2 ZPO einige Zeit verstreichen, innert welcher die unterliegende Partei nicht vor der einstweiligen Vollstreckung geschützt ist. Dies soll nach dem Vorschlag des Bundesrates mittels eines neuen Absatz 4 ergänzt werden. Damit wird auch dem Grundsatz der prozessualen Waffengleichheit entsprochen. Nach dem klaren Wortlaut der neuen Bestimmung kann ein solcher einstweiliger Aufschub durch das entscheidende Gericht im Unterschied zum Vorentwurf nur dann in Betracht kommen, wenn der betroffenen Partei ein nicht leicht wiedergutzumachender Nachteil droht. In Ergänzung des Vorentwurfs kann ein solcher Aufschub auch von Amtes wegen erfolgen und hat das Gericht nötigenfalls sichernde Massnahmen oder die Leistung einer Sicherheit anzuordnen. Vorbehalten ist stets ein diesbezüglicher Entscheid der Rechtsmittelinstanz. Erhebt die unterliegende Partei in der Folge kein Rechtsmittel oder stellt sie im Rechtsmittelverfahren keinen Antrag um Aufschiebung der Vollstreckung, so entfällt der Vollstreckungsaufschub.
S. 2772: Art. 315 Abs. 3 und 4 Bst. c und d
Die Absätze 2 und 3 von Artikel 315 ZPO regeln die Ausnahmen vom Grundsatz der aufschiebenden Wirkung der Berufung gemäss Absatz 1. Wie in der Vernehmlassung ausgeführt wurde (Bericht Vernehmlassung, Ziff. 6.61.), ist die Bestimmung von Absatz 3 insofern ungenau, als es bei Gestaltungsentscheiden nicht um den Entzug der aufschiebenden Wirkung gehen kann, weil diese von Gesetzes wegen eintritt. Weil Gestaltungsentscheide aber grundsätzlich keinen vollstreckungsfähigen Inhalt haben, kommt in diesen Fällen auch keine vorzeitige Vollstreckung in Betracht; es kann also nur um die vorzeitige Rechtskraft gehen (vgl. Urs H. Hoffmann-Nowotny, Art. 315 N 37 f., in: ZPO Rechtsmittel, Basel 2013; Peter Reetz/Sarah Hilber, Art. 315 N 44 f., in: ZK ZPO, 3. Aufl., Zürich 2016.). Absatz 3 soll daher entsprechend angepasst werden: Die Berufung gegen Gestaltungsentscheide hat stets aufschiebende Wirkung. Dabei handelt es sich um eine Anpassung ohne materiellen Gehalt.
Absatz 4 zählt abschliessend Fälle auf, in denen der Berufung von Gesetzes wegen ausnahmsweise keine aufschiebende Wirkung zukommt, weil damit Sinn und Zweck des Entscheids in Frage gestellt würde. Einem aus Sicht des Bundesrates berechtigten Anliegen aus der Vernehmlassung (Bericht Vernehmlassung, Ziff. 6.2.7.) entsprechend soll dieser Ausnahmekatalog mit zwei neuen Buchstaben c und d ergänzt werden: die Anweisungen an die Schuldner und die Sicherstellung des Unterhalts gemäss den Artikeln 132 und 291 f. ZGB. Weil es sich dabei nicht um vorsorgliche Massnahmen im Sinne von Buchstabe b handelt (Vgl. dazu BGE 137 III 193 E. 1.2), kommt der Berufung nach geltendem Recht Suspensiveffekt zu, was nicht befriedigt (vgl. Entscheid ZB.2016.1 Appellationsgericht BS vom 1.4.2016, E. 3.3 unter Hinweis auf BGE 137 III 193 E. 1.2). Zukünftig soll daher für die Anweisungen an die Schuldner und die Sicherstellung des Unterhalts ebenfalls eine Ausnahme vom Suspensiveffekt der Berufung gelten, soweit die Entscheide der Berufung unterliegen.
Vgl. auch AB 2021 S 692 f. und 694; AB 2022 N 672 und 674; AB 2022 N 710; AB 2022 S 651 f. und 652; AB 2022 N 2262 f.; AB 2023 S 10; AB 2023 N 216, 217 und 219; AB 2023 S 245; AB 2023 N 529.