Artikel 158
Am 20.04.2023 aktualisiert
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Art. 158 Vorsorgliche Beweisführung

1 Das Gericht nimmt jederzeit Beweis ab, wenn:

a. das Gesetz einen entsprechenden Anspruch gewährt; oder
b. die gesuchstellende Partei eine Gefährdung der Beweismittel oder ein schutzwürdiges Interesse glaubhaft macht.

2 Anzuwenden sind die Bestimmungen über die vorsorglichen Massnahmen.

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S. 7315

Die Beweisabnahme erfolgt normalerweise in einem formalisierten Abschnitt des Prozesses (Beweisstadium, das dem Behauptungsstadium folgt). Unter bestimmten Voraussetzungen kann jedoch bereits vorher – sogar vor Rechtshängigkeit eines Prozesses – Beweis geführt werden (z.B. zur sofortigen gerichtlichen Feststellung von Mängeln). Das materielle Recht selber kann einen entsprechenden Anspruch gewähren (Abs. 1 Bst. a; vgl. z.B. Art. 204 Abs. 2 und 3 OR, Art. 367 Abs. 2 OR, Art. 427 Abs. 1 OR, Art. 59 MSchG, Art. 38 DesG). In der Regel dient diese sog. vorsorgliche Beweisführung der Beweissicherung (Abs. 1 Bst. b ; z.B. Einvernahme eines todkranken Zeugen, vorzeitiger Augenschein wegen Einsturzgefahr eines Gebäudes). Sie kann jedoch auch der Abklärung der Beweis- und Prozessaussichten dienen, wie dies einzelne kantonale Prozessordnungen vorsehen. Auf diese Möglichkeit wird mit der Formulierung «schutzwürdiges Interesse» Bezug genommen: Sie trägt dazu bei, aussichtslose Prozesse zu vermeiden. Die vorsorgliche Beweisführung ist im Verfahren der vorsorglichen Massnahmen anzuordnen (Abs. 2; Art. 257 ff.). Die (mutmassliche) Gegenpartei des (künftigen) Prozesses ist dazu anzuhören. Der Vorentwurf hatte bei der Beweissicherung ausserdem die gerichtliche Zustellung privatrechtlicher Willenserklärungen bei unbekannter Abwesenheit des Adressaten vorgesehen (Art. 151 Abs. 3 VE). Diese Regelung stiess in der Vernehmlassung auf Ablehnung. Der Entwurf verzichtet deshalb darauf.