Artikel 262
Am 24.05.2018 aktualisiert
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Art. 262 Inhalt

Eine vorsorgliche Massnahme kann jede gerichtliche Anordnung sein, die geeignet ist, den drohenden Nachteil abzuwenden, insbesondere:

a. ein Verbot;
b. eine Anordnung zur Beseitigung eines rechtswidrigen Zustands;
c. eine Anweisung an eine Registerbehörde oder eine dritte Person;
d. eine Sachleistung;
e. die Leistung einer Geldzahlung in den vom Gesetz bestimmten Fällen.

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S. 7354

Lehre und Praxis teilen die vorsorglichen Massnahmen ein in sog. Regelungsmassnahmen (z.B. Ordnung des Getrenntlebens für die Dauer einer Ehescheidung), Leistungsmassnahmen (z.B. der gerichtliche Befehl, eine bestimmte Störung sofort zu unterlassen) und Sicherungsmassnahmen (z.B. ein Verbot, das Streitobjekt zu verändern oder zu veräussern). Dieser Vielfalt trägt der Entwurf mit einer Generalklausel Rechnung: Eine vorsorgliche Massnahme kann jede gerichtliche Anordnung sein, die geeignet ist, den drohenden Nachteil abzuwenden. Doch muss die Massnahme immer verhältnismässig, d.h. in zeitlicher und sachlicher Hinsicht geeignet und notwendig sein. Milderen (geeigneten) Alternativen ist der Vorzug zu geben. Die Anordnung darf nie weiter gehen, als es zum vorläufigen Schutz des glaubhaften Anspruchs wirklich nötig ist (BGE 94 I 10).

Der Entwurf zählt einzelne Massnahmen beispielartig auf (Bst. a–e):

– ein gerichtliches Verbot, z.B. eine bestimmte Firma weiterzubenutzen oder eine Konkurrenztätigkeit auszuüben;

– die Beseitigung eines rechtswidrigen Zustandes, z.B. Beschlagnahme von Plagiaten und Falsifikaten;

– die Anweisung an ein Registeramt, bestimmte Vorkehren zur treffen, z.B. im Grundbuch eine Verfügungsbeschränkung vor- bzw. eine sog. Grundbuchsperre anzumerken, oder im Zivilstandsregister eine Sperrung der Bekanntgabe von Personendaten zu veranlassen (Art. 46 ZStV). Entsprechend einem Anliegen der Vernehmlassungsteilnehmerinnen und -teilnehmer kann auch eine private Drittperson gerichtlich angewiesen werden (z.B. eine Bank, ein bestimmtes Konto zu sperren);

– eine Sachleistung, z.B. zur Wiedererlangung widerrechtlich entzogenen oder vorenthaltenen Besitzes;

– Zulässig ist auch die Anordnung vorsorglicher Geldzahlungen an die gesuchstellende Partei, dies jedoch nicht allgemein, sondern  nur  in  den vom Gesetz bestimmten Fällen. Zu denken ist an einen Vaterschaftsprozess, der mit einer Unterhaltsklage kombiniert wird (Art. 303). Hier kann der Beklagte bereits für die Dauer des Prozesses zu vorläufigen Unterhaltszahlungen verpflichtet werden. Diese Regelung entspricht den Artikeln 282 ff. ZGB, die aufgehoben werden können (Ziff. 3 des Anhangs). Vorläufige Zahlungen an die (geschädigte) klagende Partei sind sodann in Streitigkeiten nach Kernenergiehaftpflichtgesetz möglich (Art. 28 KHG). Eine allgemeine Einführung solcher Akonto-Zahlungen wäre hingegen problematisch. Zum einen setzen sie die beklagte Partei – sollte die Schuldpflicht letztlich verneint werden – für die Rückforderung einem ungerechtfertigten Inkassorisiko aus. Zum andern sind sie unnötig, denn der Entwurf bietet einem angeblichen Geldgläubiger andere Möglichkeiten, zeitgerecht Befriedigung zu erhalten (vgl. insb. Art. 257 und Ziff. 3.4.1). Von der vorläufigen Zahlung ist sodann die Sicherung von Geldforderungen klar zu unterscheiden: Diese bleibt durch das Arrestrecht des SchKG umfassend gewährleistet (Art. 271 ff. SchKG).