Art. 47 Ausstandsgründe
1 Eine Gerichtsperson tritt in den Ausstand, wenn sie:
a.
in der Sache ein persönliches Interesse hat;
b.
in einer anderen Stellung, insbesondere als Mitglied einer Behörde, als Rechtsbeiständin oder Rechtsbeistand, als Sachverständige oder Sachverständiger, als Zeugin oder Zeuge, als Mediatorin oder Mediator in der gleichen Sache tätig war;
c.
mit einer Partei, ihrer Vertreterin oder ihrem Vertreter oder einer Person, die in der gleichen Sache als Mitglied der Vorinstanz tätig war, verheiratet ist oder war, in eingetragener Partnerschaft lebt oder lebte oder eine faktische Lebensgemeinschaft führt;
d.
mit einer Partei in gerader Linie oder in der Seitenlinie bis und mit dem dritten Grad verwandt oder verschwägert ist;
e.
mit der Vertreterin oder dem Vertreter einer Partei oder mit einer Person, die in der gleichen Sache als Mitglied der Vorinstanz tätig war, in gerader Linie oder im zweiten Grad der Seitenlinie verwandt oder verschwägert ist;
f.
aus anderen Gründen, insbesondere wegen Freundschaft oder Feindschaft mit einer Partei oder ihrer Vertretung, befangen sein könnte.
2 Kein Ausstandsgrund für sich allein ist insbesondere die Mitwirkung:
a.
beim Entscheid über die unentgeltliche Rechtspflege;
b.
beim Schlichtungsverfahren;
c.
bei der Rechtsöffnung nach den Artikeln 80–84 SchKG;
d.
bei der Anordnung vorsorglicher Massnahmen;
e.
beim Eheschutzverfahren.
Konkretisiert wird der verfassungsmässige Anspruch auf ein unparteiisches Gericht (vgl. Art. 30 Abs. 1 BV). Absatz 1 Buchstabe a–d zählt beispielartig vier typische Ausstandsgründe auf. Eine Generalklausel findet sich in Buchstabe e (Befangenheit aus anderen Gründen): Sie kommt zum Tragen, wenn ein bestimmtes Verhalten des Richters bei objektiver Betrachtungsweise den Anschein der Befangenheit erweckt – ob der Richter tatsächlich befangen ist, spielt keine Rolle. Aus Gründen einer ökonomischen Gerichtsorganisation sowie im Interesse eines zügigen Verfahrens darf jedoch nicht jede Vorbefasstheit eo ipso einen Ausstandsgrund schaffen. Der Entwurf will diesbezüglich nicht strenger sein als das geltende (kantonale) Recht. Absatz 2 führt daher – wie dies in der Vernehmlassung angeregt wurde – beispielartig typische Fälle auf, in denen die Mitwirkung in einem vorherigen Verfahren keinen selbstständigen Ausstandsgrund darstellt. Die Regelung entspricht der bundesgerichtlichen Rechtsprechung. Selbstverständlich kann auch in diesen Fällen Befangenheit vorliegen: Es müssen jedoch zusätzlich besondere Umstände gegeben sein – die Befasstheit allein genügt nicht. Zu denken ist etwa an den Fall, dass eine Einzelrichterin oder ein Einzelrichter die unentgeltliche Rechtspflege wegen Aussichtslosigkeit des Prozesses ablehnt und dabei keinen Zweifel offen lässt, dass sie oder er im Hauptprozess entsprechend entscheiden werde. Problematisch wäre auch, wenn eine Gerichtspräsidentin oder ein Gerichtspräsident im Rahmen eines Schlichtungsverfahrens einen Urteilsvorschlag erlassen würde (Art. 210), nachdem sie oder er ein Beweisverfahren durchgeführt hat (Art. 205 Abs. 2). Sie oder er dürfte diesfalls eine spätere Klage nicht mehr beurteilen. Einfache Schlichtungstätigkeit oder blosse Rechtsberatung durch die Schlichtungsstelle (Art. 201) begründen hingegen keine Ausstandspflicht (Bst. b). Gegenüber dem Vorentwurf sind die Ausstandsgründe systematischer aufgebaut und mit dem BGG und der StPO harmonisiert worden.