Artikel 54
Am 03.01.2024 aktualisiert
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Art. 54 Öffentlichkeit des Verfahrens

1 Verhandlungen und eine allfällige mündliche Eröffnung des Urteils sind öffentlich. Die Entscheide werden der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.

2 Das kantonale Recht bestimmt, ob die Urteilsberatung öffentlich ist.

3 Die Öffentlichkeit kann ganz oder teilweise ausgeschlossen werden, wenn es das öffentliche Interesse oder das schutzwürdige Interesse einer beteiligten Person erfordert.

4 Die familienrechtlichen Verfahren sind nicht öffentlich.

Message
S. 7274 f.

[Art. 52 des Entwurfs lautete wie folgt : Öffentlichkeit des Verfahrens - 1 Verhandlungen und Urteilsberatung sind öffentlich. Die Entscheide werden der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. 2 Die Öffentlichkeit kann ganz oder teilweise ausgeschlossen werden, wenn es das öffentliche Interesse oder das schutzwürdige Interesse einer beteiligten Person erfordert. 3 Die familienrechtlichen Verfahren sind nicht öffentlich.]

Art. 54 konkretisiert einen verfassungsmässigen Grundsatz (vgl. Art. 30 Abs. 3 BV). Abs. 1 Satz 1 sieht die Öffentlichkeit der Urteilsberatung vor. Der Vorentwurf überliess diese Frage den Kantonen, was in der Vernehmlassung kontrovers blieb. Die Öffentlichkeit der Urteilsberatung betrifft zwar auch die Gerichtsorganisation. Weit mehr ins Gewicht fällt jedoch ihr direkter Bezug zum Verfahrensablauf, denn die Beratungen des Gerichts sind ein entscheidender Moment. Schliesslich steht die Frage in einem Spannungsfeld widerstreitender Interessen: Informationsbedürfnis der Presse und der Öffentlichkeit einerseits gegen ungestörte richterliche Entscheidfindung anderseits. Diese Aspekte rechtfertigen eine einheitliche Regelung. Der Entwurf setzt den Akzent auf die Transparenz des Verfahrens. Zudem fördert die öffentliche Beratung die Akzeptanz der Entscheidung durch die Parteien: Sie werden die gerichtlichen Erwägungen besser nachvollziehen können, als wenn ihnen nur eine schriftliche Begründung vorliegt. Zudem werden die Parteien dadurch wohl auch weniger veranlasst, überhaupt eine schriftliche Begründung  zu  verlangen (Art. 239 Abs. 2 Bst. a), was zu einer Entlastung der Gerichte führt. Auch die Entscheide selbst werden die Öffentlichkeit zugänglich gemacht (Abs. 1 Satz 2). Eine diesbezügliche Klarstellung wurde in der Vernehmlassung ausdrücklich gewünscht.

Das Prinzip der Öffentlichkeit gilt jedoch nicht schrankenlos (Abs. 2). Das Gericht hat eine entsprechende Interessenabwägung vorzunehmen. In familienrechtlichen Streitigkeiten ist die Öffentlichkeit hingegen von Gesetzes wegen ausgeschlossen (Abs. 3).

[Entwurf am 29.6.2008 durch das Parlament geändert: AB SR 2007, 507 ; AB NR 2008, 648 ; AB SR 2008, 726 ; AB NR 2008, 1626].