Art. 239 Eröffnung und Begründung
1 Das Gericht kann seinen Entscheid ohne schriftliche Begründung eröffnen:
a.
in der Hauptverhandlung durch Übergabe des schriftlichen Dispositivs an die Parteien mit kurzer mündlicher Begründung;
b.
durch Zustellung des Dispositivs an die Parteien.
2 Eine schriftliche Begründung ist nachzuliefern, wenn eine Partei dies innert zehn Tagen seit der Eröffnung des Entscheides verlangt. Wird keine Begründung verlangt, so gilt dies als Verzicht auf die Anfechtung des Entscheides mit Berufung oder Beschwerde.
3 Vorbehalten bleiben die Bestimmungen des Bundesgerichtsgesetzes vom 17. Juni 2005 über die Eröffnung von Entscheiden, die an das Bundesgericht weitergezogen werden können.
Von grösster praktischer Bedeutung ist die Frage, ob der Entscheid schriftlich begründet werden muss. Der Vorentwurf schrieb dies grundsätzlich vor. Nur bei Verzicht der Parteien auf das Rechtsmittel war eine schriftliche Begründung entbehrlich (Art. 231 f. VE). Dieser Vorschlag stiess in der Vernehmlassung auf starke Kritik: Aus reinem Stillschweigen (Passivität) der Parteien dürfe den Gerichten kein derartiger Aufwand entstehen. Der Entwurf trägt diesen Einwänden Rechnung:
– Grundsätzlich darf das Gericht seinen Entscheid ohne schriftliche Begründung eröffnen (Art. 239 Abs. 1). Es kann sich darauf beschränken, den Parteien das schriftliche Entscheiddispositiv auszuhändigen, und zwar unmittelbar an der Hauptverhandlung selbst (wenn der Entscheid mündlich eröffnet und auch kurz mündlich begründet wird) oder nachträglich durch formelle Zustellung ( Art. 136 f.).
– Eine schriftliche Begründung ist aber unter gewissen Voraussetzungen nachzuliefern (Art. 239 Abs. 2): Zum einen, wenn es eine Partei innert zehn Tagen nach der Eröffnung verlangt (etwa zwecks internationaler Vollstreckung oder zwecks Rückgriffs auf eine Drittperson). Zudem wird ein schriftliches Entscheidmotiv unerlässlich, wenn eine Partei Berufung oder Beschwerde erhebt.
– Unterliegt der Entscheid einer Beschwerde an das Bundesgericht , bleiben die besonderen Anforderungen des Bundesgerichtsgesetzes vorbehalten (Art. 239 Abs. 3; vgl. Art. 112 BGG ). Dieser Vorbehalt richtet sich an die Gerichte, welche als einzige kantonale Instanzen entscheiden ( Art. 5 – 7 ; für die Entscheide der Rechtsmittelinstanzen vgl. Art. 318 Abs. 2 und 327 Abs. 5).
Doch kann es indessen effizienter sein, wenn das Gericht von allem Anfang an eine schriftliche Begründung liefert. Zu denken ist an Entscheide des summarischen Verfahrens : Dort darf die Begründung sehr knapp gehalten werden, weshalb den Gerichten kein grosser Aufwand entsteht (vgl. die Erläuterungen zu Art. 256 ). Zudem wird dadurch das Rechtsmittelverfahren vereinfacht und abgekürzt (vgl. die Erläuterungen zu 314 und 321 ).
Der Vorentwurf hatte eine Reduktion der Entscheidgebühr um mindestens einen Drittel vorgesehen, wenn die Parteien auf eine schriftliche Begründung verzichten (Art. 231 VE). Eine solche Bestimmung ist problematisch: Indirekt bestraft sie die (unterlegene) Partei dafür, dass sie wissen will, weshalb sie den Prozess verloren hat. Zudem würde ein solcher Rabatt in die Tarifhoheit der Kantone eingreifen ( Art. 96 ).
Der Vorentwurf hielt überdies fest, wann ein Entscheid formell rechtskräftig wird (vgl. Art. 234 VE). Der Entwurf verzichtet darauf, denn die formelle Rechtskraft ergibt sich ohne weiteres aus dem System der Rechtsmittel. Die Definition der materiellen Rechtskraft kann – wie bisher – Lehre und Rechtsprechung überlassen werden.