Art. 261 Grundsatz
1 Das Gericht trifft die notwendigen vorsorglichen Massnahmen, wenn die gesuchstellende Partei glaubhaft macht, dass:
a.
ein ihr zustehender Anspruch verletzt ist oder eine Verletzung zu befürchten ist; und
b.
ihr aus der Verletzung ein nicht leicht wieder gutzumachender Nachteil droht.
2 Leistet die Gegenpartei angemessene Sicherheit, so kann das Gericht von vorsorglichen Massnahmen absehen.
Vorsorglicher Rechtsschutz ist ein unverzichtbares Instrument für eine zeitgerechte Rechtsverwirklichung: Er schützt die betreffende Partei vor Nachteilen, die einzutreten drohen, bevor das Gericht – nach einem möglicherweise langen Prozess – «end- gültigen» Rechtsschutz gewähren kann. Die Frage, inwieweit er heute auf kantonalem oder auf Bundesrecht beruht, ist kontrovers. Die Lehre neigt dazu, ihn für die Ansprüche aus Bundesprivatrecht bundesrechtlich zu begründen, das Bundesgericht vertritt demgegenüber die Auffassung, dass zumindest die Massnahmen zur blossen Aufrechterhaltung eines bestehenden Zustandes dem kantonalen Recht zuzuordnen sind (BGE 104 II 179). Auch dieser Diskussion setzt die Vereinheitlichung des Prozessrechts ein Ende.
Materiell lehnt sich der Entwurf an die einschlägigen Bestimmungen des Persönlichkeitsschutzes an (Art. 28c ff. ZGB; diese können somit aufgehoben werden, vgl. Ziff. 3 des Anhangs). Der vorsorgliche Persönlichkeitsschutz ist ein anerkanntes Modell für den vorsorglichen Rechtsschutz schlechthin. So verweist beispielsweise das Immaterialgüterrecht, bei dem die vorsorglichen Massnahmen von eminenter Bedeutung sind, explizit auf das ZGB. Die entsprechenden immaterialgüterrechtlichen Bestimmungen sind daher ebenfalls zu bereinigen (vgl. Ziff. 9–13, 15 und 16 des Anhangs).
Der vorsorgliche Rechtsschutz ist im Titel über das summarische Verfahren geregelt. Anwendbar sind daher die Art. 252–256, soweit im Kontext nichts Besonderes – wie z.B. die Möglichkeit des sog. Superprovisoriums (Art. 265) – vorgesehen ist. Sodann versteht sich von selbst, dass in Angelegenheiten, die dem Offizialgrundsatz unterliegen (Art. 296), die notwendigen Massnahmen von Amtes wegen anzuordnen sind.
Damit das Gericht vorsorgliche Massnahmen anordnen darf, müssen gemeinhin folgende Voraussetzungen erfüllt sein (Abs. 1):
– Zum einen hat die gesuchstellende Person den sog. Verfügungsgrund glaubhaft zu machen. Gemeint ist eine Gefährdung oder eine bereits bestehende Verletzung eines materiellen Anspruchs, wodurch der gesuchstellenden Person ein nicht leicht wieder gutzumachender Nachteil droht (Bst. a und b). Damit verbunden ist zeitliche Dringlichkeit. Der befürchtete Nachteil muss aufgrund objektiver Anhaltspunkte wahrscheinlich sein, ohne dass eine Fehleinschätzung jedoch völlig auszuschliessen wäre (Vgl. BGE 103 II 287, BGE 99 II 344). Als Nachteil gilt beispielsweise eine Beeinträchtigung der Ausübung absoluter Rechte (z.B. Störung des Eigentums). Ob die Störung zuletzt mit Geld entschädigt wer- den kann, spielt keine Rolle. Auch ein drohender immaterieller, ein nur schwer beziffer- oder beweisbarer Schaden (etwa wegen Nachahmung geschützter Verfahren oder Erzeugnisse) oder die Erschwerung der Vollstreckung fällt darunter.
– Zum andern muss der materielle Anspruch, der angeblich gefährdet ist oder bereits verletzt wird, glaubhaft sein (sog. Verfügungsanspruch). Die gesuchstellende Person hat also die Begründetheit ihres Hauptbegehrens glaubhaft zu machen (z.B. ihren Anspruch auf Lieferung einer gekauften Sache, welche die beklagte Partei vertragswidrig einem Dritten im Ausland verschaffen will).
Nach Absatz 2 kann die Gegenpartei eine vorsorgliche Massnahme abwenden, wenn sie angemessene Sicherheit leistet. Dies folgt aus dem Verhältnismässigkeitsprinzip, das beim vorsorglichen Rechtsschutz durchwegs zu beachten ist (Art. 262; vgl. auch Art. 277 SchKG). Wird die Sicherheit erst nachträglich geleistet, kann die vorsorgliche Massnahme aufgehoben werden (vgl. Art. 268).