Art. 317 Neue Tatsachen, neue Beweismittel und Klageänderung
1 Neue Tatsachen und Beweismittel werden nur noch berücksichtigt, wenn sie:
a.
ohne Verzug vorgebracht werden; und
b.
trotz zumutbarer Sorgfalt nicht schon vor erster Instanz vorgebracht werden konnten.
2 Eine Klageänderung ist nur noch zulässig, wenn:
a.
die Voraussetzungen nach Artikel 227 Absatz 1 gegeben sind; und
b.
sie auf neuen Tatsachen und Beweismitteln beruht.
[NB : Die Botschaft bezieht sich auf eine Bestimmung, die von den Räten relativ stark abgeändert wurde: „Art. 314 Neue Tatsachen, neue Beweismittel und Klageänderung 1 Für das Vorbringen neuer Tatsachen und Beweismittel gilt Artikel 225 Absätze 2 und 3 sinngemäss. [225 "2 Danach werden neue Tatsachen und Beweismittel nur noch berücksichtigt, wenn sie ohne Verzug vorgebracht werden und: a. erst nach den ersten Parteivorträgen entstanden oder gefunden worden sind (echte Noven); oder b. bereits vor den ersten Parteivorträgen vorhanden waren, aber trotz zumutbarer Sorgfalt nicht vorher vorgebracht werden konnten (unechte Noven). 3 Hat das Gericht den Sachverhalt von Amtes wegen abzuklären, so berücksichtigt es neue Tatsachen und Beweismittel bis zur Urteilsberatung." ]. 2 Eine Klageänderung ist nur zulässig, wenn sie auf neuen Tatsachen und Beweismitteln beruht. Im Übrigen gilt Artikel 226 sinngemäss." [226 "Klageänderung 1 Eine Klageänderung ist bis und mit den ersten Parteivorträgen zulässig, sofern der geänderte oder neue Anspruch: a. mit dem bisherigen in einem sachlichen Zusammenhang steht; und b. nach der gleichen Verfahrensart zu beurteilen ist. 2 Nach den ersten Parteivorträgen ist eine Klageänderung nur noch zulässig, wenn sie zudem auf neuen Tatsachen oder Beweismitteln nach Artikel 225 Absatz 2 beruht oder wenn die Gegenpartei zustimmt. 3 Übersteigt der Streitwert der geänderten Klage die sachliche Zuständigkeit des Gerichts, so hat dieses den Prozess an das Gericht mit der höheren sachlichen Zuständigkeit zu überweisen. 4 Eine Beschränkung der Klage ist jederzeit zulässig; das angerufene Gericht bleibt zuständig." ].
Die Zulässigkeit von Noven im Berufungsverfahren ist in den kantonalen Zivilprozessordnungen unterschiedlich geregelt. Wenige Kantone schliessen jegliche Noven aus, andere lassen sie unbeschränkt zu. Die meisten Kantone hingegen beschreiten einen Mittelweg, dem der Entwurf – wie schon der Vorentwurf – im Wesentlichen folgt (Abs. 1): Nur echte Noven (Tatsachen, die erst nach dem erstinstanzlichen Entscheid entstanden sind) können ohne weiteres vorgebracht werden. Unechte hingegen (Tatsachen, die bereits zur Zeit des erstinstanzlichen Entscheids vorhanden waren) sind grundsätzlich ausgeschlossen. Besonderes gilt für Prozesse, die der Untersuchungsmaxime unterliegen. Auch in zweiter Instanz sind hier Noven bis zur Urteilsberatung möglich. Zu denken ist an Entscheide des vereinfachten und der eherechtlichen Verfahren sowie an Anordnungen der freiwilligen Gerichtsbarkeit. Mit dem offenen Novenrecht wird auch dem laienfreundlichen Charakter dieser Verfahren Rechnung getragen. Hätten die Tatsachen und Beweismittel jedoch bereits bei der Vorinstanz eingebracht werden können, sind einer unsorgfältigen Partei die entstehenden Mehrkosten aufzuerlegen (Art. 108).
Novenrechtlich setzt das Berufungsverfahren somit dort ein, wo das erstinstanzliche Verfahren aufgehört hat – insofern ist es die Fortsetzung des erstinstanzlichen Prozesses. Für die Klageänderung gilt Entsprechendes, was in Abs. 2 präzisiert wird.