Artikel 343
Am 13.02.2023 aktualisiert
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Art. 343 Verpflichtung zu einem Tun, Unterlassen oder Dulden

1 Lautet der Entscheid auf eine Verpflichtung zu einem Tun, Unterlassen oder Dulden, so kann das Vollstreckungsgericht anordnen:

a. eine Strafdrohung nach Artikel 292 StGB;
b. eine Ordnungsbusse bis zu 5000 Franken;
c. eine Ordnungsbusse bis zu 1000 Franken für jeden Tag der Nichterfüllung;
d. eine Zwangsmassnahme wie Wegnahme einer beweglichen Sache oder Räumung eines Grundstückes; oder
e. eine Ersatzvornahme.

1bis Enthält der Entscheid ein Verbot nach Artikel 28b ZGB, so kann das Vollstreckungsgericht auf Antrag der gesuchstellenden Person eine elektronische Überwachung nach Artikel 28c ZGB anordnen.

2 Die unterlegene Partei und Dritte haben die erforderlichen Auskünfte zu erteilen und die notwendigen Durchsuchungen zu dulden.

3 Die mit der Vollstreckung betraute Person kann die Hilfe der zuständigen Behörde in Anspruch nehmen.

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S. 7385

Die Bestimmung führt mögliche Massnahmen der Realvollstreckung auf, wobei der Katalog nicht abschliessend ist (Abs. 1). Mehrere Massnahmen können miteinander verbunden werden.

– Die Strafandrohung nach Art. 292 StGB (Bst. a) soll – als sog. mittelbarer Zwang – die verpflichtete Partei zur Realerfüllung anhalten.

– Auch die Ordnungsbusse (Bst. b) ist nur ein indirektes Zwangsmittel. Für jeden Tag der Nichterfüllung hat die unterlegene Partei eine Tagesbusse zu bezahlen. Dabei handelt es sich um einen staatlichen Anspruch – das Geld kommt also nicht der obsiegenden Partei zu Gute. Die Tagesbusse kann ein wirksames Mittel sein, um die Vollstreckung zu beschleunigen.

– Direkter Zwang (manus militaris; Bst. c) kommt namentlich für die Wegnahme beweglicher Sachen oder die Räumung  von  Grundstücken  in Betracht, die sog. Ersatzvornahme (Bst. d) für vertretbare Leistungen (z.B. Reparatur einer Mietsache, Nachbesserung eines Werkmangels).

– Nach dem Vorentwurf hätte das Gericht zudem ein angemessenes Zwangsgeld an die berechtigte Partei für jeden Tag der Nichterfüllung anordnen können (vgl. Art. 332 Abs. 1 Bst. c VE). Diese sog. astreinte – ein Institut des französischen Rechts – ist in der Schweiz unbekannt. Von der Ordnungsbusse unterscheidet sie sich insofern, als das Geld direkt dem Gläubiger – nicht dem Staat- zukommt. Ausserdem ist der Betrag nicht begrenzt, sondern wird grundsätzlich durch gerichtliches Ermessen bestimmt. Obwohl es durchaus effizient erscheinen mag, ist das Zwangsgeld ein problematisches Institut. Aufaddieren der Tagessummen kann die Passiven der verpflichteten Partei nämlich innert kurzer Zeit erheblich anwachsen lassen und

– gerade bei kleinen und mittleren Unternehmen – zu Überschuldung oder mindestens zu Liquiditätsengpässen führen. Bei Insolvenz der verpflichteten Partei werden die übrigen Gläubiger sodann benachteiligt: Deren Dividendenerwartung kann markant sinken. Daher verzichtet der Entwurf auf das Zwangsgeld, zumal es auch im europäischen Umfeld umstritten ist.

Absatz 2 statuiert – ähnlich wie die Art. 91 und 222 SchKG – Auskunfts- und Duldungspflichten der unterlegenen Partei sowie auch Dritter (z.B. einer Bank). Absatz 3 schliesslich hält fest, dass polizeiliche Hilfe in Anspruch genommen werden kann.

Artikel 335 VE sah bei immaterialgüter- und wettbewerbsrechtlichen Streitigkeiten zudem die Einziehung widerrechtlich hergestellter, verwendeter oder gekennzeichneter Gegenstände vor (vgl. Art. 69 PatG, Art. 63 URG, Art. 36 DesG, Art. 10 ToG, Art. 57 MSchG). Da die Einziehung jedoch keine blosse Vollstreckungsmassnahme sondern ein selbstständiger Klageanspruch ist, belässt sie der Entwurf in den Spezialgesetzen.