Art. 350 Urkunde über eine andere Leistung
1 Ist eine Urkunde über eine andere Leistung zu vollstrecken, so stellt die Urkundsperson der verpflichteten Partei auf Antrag der berechtigten Partei eine beglaubigte Kopie der Urkunde zu und setzt ihr für die Erfüllung eine Frist von 20 Tagen. Die berechtigte Partei erhält eine Kopie der Zustellung.
2 Nach unbenütztem Ablauf der Erfüllungsfrist kann die berechtigte Partei beim Vollstreckungsgericht ein Vollstreckungsgesuch stellen.
Art. 350–351 Urkunde über eine andere Leistung
Das Verfahren zur Vollstreckung einer Realleistung ist einer Betreibung nachgebildet:
– Die berechtigte Partei stellt – dem Betreibungsbegehren vergleichbar – einen entsprechenden Antrag bei der Urkundsperson (Art. 350 Abs. 1). Deren Zuständigkeit wird durch das kantonale Recht bestimmt. Am ehesten wird es jene Person sein, welche die Urkunde aufgenommen hat und das Original aufbewahrt.
– Die Urkundsperson stellt der verpflichteten Partei – dem Zahlungsbefehl vergleichbar – eine beglaubigte Kopie der Urkunde zu und setzt ihr eine 20-tägige Erfüllungsfrist. Für die Zustellung gelten die Art. 136 ff. Die Urkundsperson hat dabei keinerlei Kognition bezüglich der Forderung – genauso wenig wie ein Betreibungsamt. Die verpflichtete Partei kann ihre Einwände vor dem Vollstreckungsgericht geltend machen; dazu gehört auch die Rüge von Zustellungsfehlern.
– Verweigert die Urkundsperson die Zustellung, so steht der berechtigten Partei kein Rechtsmittel der ZPO zur Verfügung, denn diese Weigerung ist kein gerichtlicher Entscheid. Denkbar ist bloss eine notariatsrechtliche (kantonalrechtliche) Beschwerde an die Aufsichtsbehörde. Abgesehen davon bleibt der berechtigten Partei nichts anderes übrig, als die Leistung gerichtlich einzuklagen.
– Nach unbenutztem Ablauf der Erfüllungsfrist ist die berechtigte Person legitimiert, beim Vollstreckungsgericht ein Vollstreckungsgesuch zu stellen (Art. 350 Abs. 2).
Das anschliessende Verfahren vor dem Vollstreckungsgericht verläuft gleich wie bei der Vollstreckung eines Entscheides:
– Es gilt dieselbe örtliche Zuständigkeit (Art. 339 Abs. 1 Bst. a und b).
– Das Vollstreckungsgericht entscheidet im summarischen Verfahren (Art. 339 Abs. 2). Dabei prüft es die Vollstreckbarkeit der Urkunde von Amtes wegen (Art. 341 Abs. 1): Auch ohne entsprechende Einwände der verpflichteten Partei hat es somit abzuklären, ob die besonderen Voraussetzungen nach Art. 347 gegeben sind. Die gehörige Zustellung der Urkunde sowie der Ablauf der Erfüllungsfrist sind ebenfalls von Amtes wegen zu prüfen.
– Die verpflichtete Partei ist anzuhören (Art. 341 Abs. 2). Neben formellen Einwänden (z.B. Unzuständigkeit des Vollstreckungsgerichts, Nichteinhaltung der Erfüllungsfrist oder Mängel der öffentlichen Urkunde) kann sie auch alle materiellen Einreden gegen den geltend gemachten Anspruch vorbringen, sofern sie sofort beweisbar sind (Art. 351 Abs. 1). Das Beweismass für die Befreiung ist somit dasselbe wie bei der Geldurkunde (Art. 81 Abs. 2 SchKG). Fehlen ihr die erforderlichen Beweismittel, so kann die verpflichtete Partei über die Forderung noch immer einen einlässlichen Zivilprozess führen (Art. 352), denn auch bei der Realvollstreckung äussern sich weder die Urkunde noch das Vollstreckungsverfahren zur Begründetheit des Anspruchs.
– Bei Bedarf sind sichernde Massnahmen möglich (Art. 340).
– Betrifft die öffentliche Urkunde eine Willenserklärung, so wird diese durch den Entscheid des Vollstreckungsgerichts ersetzt (Art. 351 Abs. 2; z.B. eine Grundbuchanmeldung). Das Vollstreckungsgericht kann daher auch die erforderlichen Anweisungen treffen.
– Der Entscheid des Vollstreckungsgerichts unterliegt der Beschwerde (Art. 319 ff.).