Art. 374 Vorsorgliche Massnahmen, Sicherheit und Schadenersatz
1 Das staatliche Gericht oder, sofern die Parteien nichts anderes vereinbart haben, das Schiedsgericht kann auf Antrag einer Partei vorsorgliche Massnahmen einschliesslich solcher für die Sicherung von Beweismitteln anordnen.
2 Unterzieht sich die betroffene Person einer vom Schiedsgericht angeordneten Massnahme nicht freiwillig, so trifft das staatliche Gericht auf Antrag des Schiedsgerichts oder einer Partei die erforderlichen Anordnungen; stellt eine Partei den Antrag, so muss die Zustimmung des Schiedsgerichts eingeholt werden.
3 Ist ein Schaden für die andere Partei zu befürchten, so kann das Schiedsgericht oder das staatliche Gericht die Anordnung vorsorglicher Massnahmen von der Leistung einer Sicherheit abhängig machen.
4 Die gesuchstellende Partei haftet für den aus einer ungerechtfertigten vorsorglichen Massnahme erwachsenen Schaden. Beweist sie jedoch, dass sie ihr Gesuch in guten Treuen gestellt hat, so kann das Gericht die Ersatzpflicht herabsetzen oder gänzlich von ihr entbinden. Die geschädigte Partei kann den Anspruch im hängigen Schiedsverfahren geltend machen.
5 Eine geleistete Sicherheit ist freizugeben, wenn feststeht, dass keine Schadenersatzklage erhoben wird; bei Ungewissheit setzt das Schiedsgericht eine Frist zur Klage.
Diese neue Bestimmung trägt den Forderungen der Lehre Rechnung und ersetzt den stark kritisierten Art. 26 KSG, der die Anordnung vorsorglicher Massnahmen ausschliesslich dem staatlichen Richter vorbehält. Sie lehnt sich an Art. 183 IPRG an. Abs. 1 stellt im Sinne der herrschenden Lehre und Praxis zu Art. 183 IPRG klar, dass sowohl das staatliche Gericht als auch das Schiedsgericht zur Anordnung vorsorglicher Massnahmen kompetent sind. Somit hat die gesuchstellende Partei die Möglichkeit, für den vorsorglichen Rechtsschutz die ihr geeigneter erscheinende Gerichtsbarkeit zu wählen. Abs. 2 stellt einen weiteren strittigen Punkt klar (vgl. Art. 183 Abs. 2 IPRG ): Ist eine vorsorgliche Massnahme des Schiedsgerichts zu vollstrecken, so ordnet das um Mitwirkung ersuchte schweizerische oder ausländische staatliche Gericht nicht etwa eigene vorsorgliche Massnahmen an, sondern trifft lediglich die zur Vollstreckung notwendigen Anordnungen. Das staatliche Gericht wendet dabei sein eigenes Recht an. Es kann somit die vom Schiedsgericht angeordneten vorsorglichen Massnahmen umformulieren oder modifizieren, um sie so mit dem eigenen Recht in Einklang zu bringen. Zudem kann das staatliche Gericht – im Unterschied zum Schiedsgericht – auch eine Ungehorsamsstrafe nach Art. 292 StGB androhen. Abs. 3 räumt wie die Art. 183 Abs. 3 IPRG und 264 Abs. 1 (für das staatliche Verfahren) dem Schiedsgericht die Kompetenz ein, die Anordnung vorsorglicher Massnahmen von einer angemessenen Sicherheit abhängig zu machen. Die Abs. 4 und 5 über die Haftung der gesuchstellenden Partei und die Freigabe der Sicherheit sind neu und entsprechen inhaltlich Art. 264 Abs. 2 und 3 (Verfahren vor den staatlichen Gerichten). Das Schiedsgericht ist zur Beurteilung der Schadenersatzansprüche gegenüber der gesuchstellenden Partei nur dann zuständig, wenn diese Ansprüche im laufenden Schiedsverfahren geltend gemacht werden. Andernfalls werden sie von einem staatlichen Gericht beurteilt, es sei denn, aus der Schiedsvereinbarung könne gleichwohl die Zuständigkeit des Schiedsgerichts hergeleitet werden. Nicht geregelt werden im Entwurf – wie im IPRG – die superprovisorischen vor- sorglichen Massnahmen. Solche sind aber auch im Schiedsverfahren zulässig. In Bezug auf das (nachträgliche) rechtliche Gehör kann sich das Schiedsgericht von dem für die staatlichen Gerichte geltenden Art. 265 Abs. 2 inspirieren lassen.