Artikel 152
Am 03.10.2024 aktualisiert
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Art. 152 Recht auf Beweis

1 Jede Partei hat das Recht, dass das Gericht die von ihr form- und fristgerecht angebotenen tauglichen Beweismittel abnimmt.

2 Rechtswidrig beschaffte Beweismittel werden nur berücksichtigt, wenn das Interesse an der Wahrheitsfindung überwiegt.

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S. 7312 f.

Das Recht auf Beweis – der sog. Beweisanspruch – ist ein wesentlicher Ausfluss des rechtlichen Gehörs ( Art. 53 ). Es gewährleistet den Parteien, für rechtserhebliche Sachvorbringen zum Beweis zugelassen zu werden, sofern das beantragte Beweismittel tauglich ist sowie form- und fristgereicht vorgebracht wird (Abs. 1). Dieses zentrale Parteirecht steht im Spannungsfeld zu der sog. antizipierten Beweiswürdigung: Danach kann das Gericht Beweisanträge ablehnen, wenn es seine Überzeugung durch andere Beweismittel bereits gewonnen hat oder wenn es das offerierte Beweismittel als untauglich hält. Der Vorentwurf hatte eine entsprechende Regelung vorgesehen (Art. 147 Abs. 2 VE), die jedoch in der Vernehmlassung stark kritisiert wurde. Der Entwurf trägt dieser Kritik Rechnung und erwähnt die antizipierte Beweiswürdigung nicht mehr. Das bedeutet jedoch nicht, dass sie künftig von Bundesrechts wegen ausgeschlossen wäre. Vielmehr ist sie der freien Beweiswürdigung inhärent: Kein Gericht ist nach heutiger Praxis gezwungen, allen Beweisanträgen unbesehen und unbeschränkt stattzugeben. Vielmehr kann eine Partei aufgefordert werden, aus einer Vielzahl von Anträgen eine Selektion zu treffen. Falls sie dieser Aufforderung nicht nachkommt, kann das Gericht selber eine Triage vornehmen und die Beweisabnahme auf ein vernünftiges Mass beschränken. Wenn das Gericht seine Überzeugung schliesslich gebildet hat und das Beweisverfahren abschliessen will, so muss es neuen Beweisanträgen grundsätzlich nur Folge geben, wenn sie zulässige Noven betreffen oder wenn das Gericht seine Feststellungen einzig auf Indizien oder allgemeine Erfahrungssätze zu stützen vermag. In Interesse eines konzentrierten Verfahrens ist die antizipierte Beweiswürdigung ein notwendiger Ausgleich zum Recht auf Beweis.
Im Zusammenhang mit dem Beweisanspruch ist sodann die Frage der Verwertbarkeit unrechtmässig beschaffter Beweismittel zu beantworten (Abs. 2). Wie der Vorentwurf geht auch der Bundesrat vom Grundsatz aus, dass Recht nicht durch Unrecht durchgesetzt werden darf. Der Entwurf erlaubt die Berücksichtigung rechtswidrig beschaffter Beweismittel daher nur unter einschränkenden Bedingungen ( BGE 131 I 272 ): Zum einen muss das fragliche Beweismittel als solches überhaupt zulässig sein, d.h. es muss zum numerus clausus der Beweismittel gehören ( Art. 168 ). Zum andern hat das Gericht eine Abwägung zu treffen zwischen dem Schutzinteresse des Rechtsgutes, das bei der Beweismittelbeschaffung verletzt wurde, und dem Interesse an der Wahrheitsfindung. Unverwertbar wird somit etwa eine Urkunde sein, die der berechtigten Person unter Drohung oder Gewaltanwendung entrissen wurde, denn die persönliche Integrität steht – zumal in einem Zivilprozess – grundsätzlich über der Wahrheitsfindung (vgl. auch Art. 140 StPO ). Eine «nur» gestohlene Urkunde kann demgegenüber durchaus verwertbar sein, wenn es das Interesse der Wahrheits findung gebietet. Diese Grundsätze folgen der bundesgerichtlichen Praxis sowie der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte.