Artikel 160
Am 20.04.2023 aktualisiert
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Art. 160 Mitwirkungspflicht

1 Die Parteien und Dritte sind zur Mitwirkung bei der Beweiserhebung verpflichtet. Insbesondere haben sie:

a. als Partei, als Zeugin oder als Zeuge wahrheitsgemäss auszusagen;
b. Urkunden herauszugeben; ausgenommen ist die anwaltliche Korrespondenz, soweit sie die berufsmässige Vertretung einer Partei oder einer Drittperson betrifft;
c. einen Augenschein an Person oder Eigentum durch Sachverständige zu dulden.

2 Über die Mitwirkungspflicht einer minderjährigen Person entscheidet das Gericht nach seinem Ermessen.1 Es berücksichtigt dabei das Kindeswohl.

3 Dritte, die zur Mitwirkung verpflichtet sind, haben Anspruch auf eine angemessene Entschädigung.

Art. 160 Abs. 1 lit. b - NEUE FASSUNG SEIT DEN 1.5.2013 (Änderung durch den BG des 28.9.2012 über die Anpassung von verfahrensrechtlichen Bestimmungen zum anwaltlichen Berufsgeheimnis, AS 2013, 847 ff., 848): 

Art. 160 Abs. 1 lit. b

1 Die Parteien und Dritte sind zur Mitwirkung bei der Beweiserhebung verpflichtet. Insbesondere haben sie:

b. Urkunden herauszugeben; ausgenommen sind Unterlagen aus dem Verkehr einer Partei oder einer Drittperson mit einer Anwältin oder einem Anwalt, die oder der zur berufsmässigen Vertretung berechtigt ist, oder mit einer Patentanwältin oder einem Patentanwalt im Sinne von Artikel 2 des Patentanwaltsgesetzes vom 20. März 2009;

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S. 7316

Art. 160–167         Die Mitwirkungspflicht

Im Zivilprozess trifft die Parteien und Drittpersonen eine Mitwirkungspflicht. In Bezug auf die Dritten handelt es sich dabei um eine echte Pflicht , die – bei Strafdrohung ( Art. 167 ) oder gar unter direktem Zwang – gehörig zu erfüllen ist. Zu denken ist vor allem an die Zeugnis-, Auskunfts- und Editionspflicht. Hinsichtlich der Parteien hingegen ist  die  Mitwirkung  nur  eine   prozessuale Last : Unberechtigte Verweigerung hat weder Strafe noch Zwang zur Folge, sondern wird – zum Nachteil der betreffenden Partei – bei der Beweiswürdigung berücksichtigt. Aus berechtigter Verweigerung hingegen darf weder einer Partei noch einer Drittperson ein Nachteil entstehen ( Art. 162 ). Diese Grundsätze entsprechen herrschendem Prozessrecht.
Die Mitwirkungspflicht spielt in allen Verfahren, was sich in Bezug auf Drittpersonen von selbst versteht. Doch auch die Parteien haben stets mitzuwirken, und zwar auch in Verfahren, in denen die Untersuchungsmaxime gilt (vgl. die Erläuterungen zu Art. 153 ).

Artikel 160 umschreibt die Mitwirkungspflicht inhaltlich:
Absatz 1 nennt beispielartig  verschiedene Mitwirkungsformen  (Aussage- und Editionspflicht, Duldungspflichten). Gegenüber dem Vorentwurf wird präzisiert, dass Zeugen und Zeuginnen sowie Parteien wahrheitsgemäss aus- zusagen haben.
Absatz 2 umschreibt die Mitwirkung Minderjähriger . Wie vorne ausgeführt ( Art. 156 ), wird dafür kein Mindestalter vorausgesetzt, denn dies käme einer starren Beweisregel gleich und widerspräche den Kernsätzen des Beweis- rechts (Recht auf Beweis, freie Beweiswürdigung). Umgekehrt wäre es jedoch auch willkürlich, Minderjährige ab einer bestimmten Altersgrenze schematisch der Mitwirkungspflicht zu unterstellen. Vielmehr ist auf die konkreten Verhältnisse Rücksicht zu nehmen (wie etwa auf das Denkvermögen des Kindes, auf seine Beziehung zu den Parteien, auf das Beweisthema, auf eine mögliche Beeinträchtigung des physischen oder psychischen Wohls). Der Bundesrat folgt daher dem Vorentwurf, wonach das Gericht im Einzelfall über die Mitwirkungspflicht eines Minderjährigen zu entscheiden hat.
Dritte sind für ihre Mitwirkung angemessen zu entschädigen ( Abs. 3 ). Zu denken ist an Auslagenersatz, an eine Vergütung für den Zeitaufwand oder eine Entschädigung für Verdienstausfall. Die Parteien hingegen können ihren Aufwand über die Parteientschädigung geltend machen ( Art. 95 ).
Die Prozessbeteiligten sind über ihre Mitwirkungspflicht, über die möglichen Verweigerungsrechte und Sanktionen aufzuklären ( Art. 161 Abs. 1 ). Die Belehrung muss klar und vollständig sein. Sie ist grundsätzlich konstitutiv für die Verwertung des betreffenden Beweismittels sowie für eine Verhängung von Strafen und anderer Nachteile ( Art. 161 Abs. 2 ).