Artikel 191
Am 14.11.2017 aktualisiert
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Art. 191 Parteibefragung

1 Das Gericht kann eine oder beide Parteien zu den rechtserheblichen Tatsachen befragen.

2 Die Parteien werden vor der Befragung zur Wahrheit ermahnt und darauf hingewiesen, dass sie mit einer Ordnungsbusse bis zu 2000 Franken und im Wiederholungsfall bis zu 5000 Franken bestraft werden können, wenn sie mutwillig leugnen.

Message
S. 7326

Die Parteien kommen im Zivilprozess verschiedentlich zu Wort, doch haben ihre Aussagen nicht immer denselben Stellenwert. So darf, was sie im Schlichtungsverfahren äussern, im darauf folgenden Prozess grundsätzlich überhaupt nicht berücksichtigt werden (Art. 205); sonst werden freie Vergleichsverhandlungen illusorisch. Was die Parteien sodann im Behauptungsstadium des Prozesses vorbringen (Art. 55) -z.B. an einer Instruktionsverhandlung (Art. 226), in den ersten Parteivorträgen im ordentlichen Verfahren (Art. 228) oder in der ersten Befragung im vereinfachten Verfahren (Art. 247) – hat für den Beweis nur insofern Bedeutung, als es dazu dient, die Fakten zusammenzutragen und Bestrittenes von Unbestrittenem zu trennen.

Tritt der Prozess jedoch ins Beweisstadium (eröffnet durch eine sog. Beweisverfügung), dann können auch die Parteiaussagen in ein förmliches Beweismittel gekleidet werden. Ausgehend von den kantonalen Prozessordnungen und dem Ergebnis des Vernehmlassungsverfahrens, stellt der Entwurf zwei Formen zur Verfügung:

Die Parteibefragung (Art. 191) ist die einfachere und mildere Form. Zwar unterliegen die Parteien auch hier der Wahrheitspflicht, doch werden wahrheitswidrige Aussagen nur disziplinarisch geahndet, und auch dies nur, wenn der  Partei mutwilliges Leugnen zur Last gelegt werden kann. Jede Partei kann auch für sich selber eine Parteibefragung beantragen. Sogar Aussagen zu eigenen Gunsten sind zu berücksichtigen, doch liegt auf der Hand, dass ihr  Beweiswert auf Grund der Selbstbefangenheit der Partei meist gering und daher mit einem zusätzlichen Beweismittel zu unterlegen ist.

Die Beweisaussage ist eine qualifizierte Form der Parteieinvernahme (Art. 192). Anders als teilweise im kantonalen Prozessrecht ist sie nach dem Entwurf  nicht subsidiär: Es müssen nicht alle anderen Beweismittel abgenommen  werden, bevor sie angeordnet werden darf. Sinnvollerweise wird sie in der Praxis jedoch erst genutzt, um letzte Zweifel des Gerichts zu beseitigen. Durch  die Beweisaussage wird die betreffende Partei nämlich unter zusätzlichen  Druck  gesetzt,  denn  Leugnen  wird  als  Verbrechen  verfolgt (Art. 306 StGB)  – gleich wie ein falsches Zeugnis (Art. 307 StGB). Um missbräuchliche Druckausübung auszuschliessen, kann die Beweisaussage nur von Amtes wegen – nicht also auf Antrag der Gegenpartei – angeordnet werden. Sie ist somit ausschliesslich ein gerichtliches Instrument. Der Vorentwurf hatte auch den Parteiantrag zugelassen (Art. 186 VE).