Art. 247 Feststellung des Sachverhaltes
1 Das Gericht wirkt durch entsprechende Fragen darauf hin, dass die Parteien ungenügende Angaben zum Sachverhalt ergänzen und die Beweismittel bezeichnen.
2 Das Gericht stellt den Sachverhalt von Amtes wegen fest:
a. in den Angelegenheiten nach Artikel 243 Absatz 2;
b.
bis zu einem Streitwert von 30 000 Franken:
1. in den übrigen Streitigkeiten aus Miete und Pacht von Wohn- und Geschäftsräumen sowie aus landwirtschaftlicher Pacht,
2. in den übrigen arbeitsrechtlichen Streitigkeiten.
Ein Kernmerkmal des vereinfachten Verfahrens ist die Untersuchungsmaxime (Art. 247 Abs. 1). Der Vorentwurf hatte sie auf die klassischen Materien des Sozialprozesses beschränkt (Art. 240 VE). Hier jedoch wird sie allgemein vorgesehen, denn für ein laienfreundliches Verfahren ist sie unabdingbar. Doch ist zu beachten, dass sie nur in einer abgeschwächten Form gilt:
– Dem Gericht obliegt einzig eine verstärkte Fragepflicht. Wie im ordentlichen Prozess haben die Parteien bei der Feststellung des Sachverhaltes aktiv mitzuwirken (die Leistung der entsprechenden Vorschüsse für die Beweisabnahme inbegriffen; vgl. die Erläuterungen zu Art. 153 ). Doch hilft ihnen das Gericht durch geeignete Fragen auf die Sprünge, damit die nötigen Angaben gemacht und die entsprechenden Beweismittel auch wirklich bezeichnet werden. Somit sammeln die Parteien den Prozessstoff auch hier selber – wenn auch unter Anleitung des Gerichts. Dieses stellt aber keine eigenen Ermittlungen an. Insofern unterscheidet sich die zivilprozessuale Untersuchungsmaxime ganz erheblich von jener des Strafprozesses (Art. 6 sowie 305 ff. E-StPO; vgl. auch die Erläuterungen zu Art. 295 ).
– Zudem hängt das Ausmass richterlicher Hilfe im Einzelfall auch davon ab, wie eine Partei sozial und intellektuell disponiert ist und ob sie anwaltlich vertreten wird. Lehre und Praxis sprechen hier von « sozialer Untersuchungsmaxime »: Sie greift nur, soweit es wirklich geboten ist: vor allem zum Ausgleich eines Machtgefälles zwischen den Parteien (z.B. Arbeitgeber gegen Arbeitnehmer) oder bei ungleichem Know how (Laie gegen anwaltlich vertretene Partei). Wenn sich jedoch zwei anwaltlich vertretene Parteien gegenüber stehen, darf und soll sich das Gericht wie im ordentlichen Prozess zurückhalten.
Ein Nebeneffekt der Untersuchungsmaxime ist ein offenes Novenrecht. Neue Tatsachen und Beweismittel können die Parteien bis zur Urteilsberatung einbringen (Art. 243 Abs. 2). Das ist jedoch kein Freipass für dilatorisches Verhalten: Bei verspätetem Vorbringen können der betreffenden Partei die damit verbundenen Mehrkosten auferlegt werden ( Art. 108 ).
Im Übrigen verläuft das vereinfachte Verfahren wie das ordentliche ( Art. 219 ): So erfolgt die Beweisabnahme in denselben Formen ( Art. 231 ), die Parteien haben das Recht auf Schlussplädoyers ( Art. 232 ) und auch der Entscheid wird in gleicher Art gefällt und eröffnet ( Art. 236 ff.).