Art. 198 Ausnahmen
Das Schlichtungsverfahren entfällt:
a. im summarischen Verfahren;
a bis. bei Klagen wegen Gewalt, Drohungen oder Nachstellungen nach Artikel 28b ZGB oder betreffend eine elektronische Überwachung nach Artikel 28c ZGB;
b. bei Klagen über den Personenstand;
b bis. bei Klagen über den Unterhalt des Kindes und weitere Kinderbelange, wenn vor der Klage ein Elternteil die Kindesschutzbehörde angerufen hat (Art. 298b und 298d ZGB);
c. im Scheidungsverfahren;
d. im Verfahren zur Auflösung und zur Ungültigerklärung der eingetragenen Partnerschaft;
e.
bei folgenden Klagen aus dem SchKG:
1.
Aberkennungsklage (Art. 83 Abs. 2 SchKG),
2.
Feststellungsklage (Art. 85a SchKG),
3.
Widerspruchsklage (Art. 106–109 SchKG),
4.
Anschlussklage (Art. 111 SchKG),
5.
Aussonderungs- und Admassierungsklage (Art. 242 SchKG),
6.
Kollokationsklage (Art. 148 und 250 SchKG),
7.
Klage auf Feststellung neuen Vermögens (Art. 265a SchKG),
8.
Klage auf Rückschaffung von Retentionsgegenständen (Art. 284 SchKG);
f. bei Streitigkeiten, für die nach den Artikeln 5 und 6 dieses Gesetzes eine einzige kantonale Instanz zuständig ist;
g. bei der Hauptintervention, der Widerklage und der Streitverkündungsklage;
h. wenn das Gericht Frist für eine Klage gesetzt hat.
Der Grundsatz vorgängiger Schlichtung kennt jedoch – wie das geltende Prozess- recht – wesentliche Ausnahmen, in denen direkt an das entscheidende Gericht zu gelangen ist (direkte Klage oder direktes Gesuch).
– So hat dem summarischen Verfahren kein selbstständiger Schlichtungsversuch voranzugehen (Bst. a), denn hier liegt der Akzent auf besonderer Beschleunigung. Ein zusätzlicher Schlichtungstermin könnte den Verfahrenszweck sogar vereiteln (z.B. beim vorsorglichen Rechtsschutz oder bei der Konkurseröffnung ohne vorgängige Betreibung).
– Ausgenommen sind ferner die Klagen betreffend den Personenstand (Bst. b), wie beispielsweise auf Feststellung von Geburt, Tod, Abstammung und Zivilstand. Hier ist ein separater Schlichtungsversuch nicht sinnvoll, weil der Prozess grundsätzlich nicht einvernehmlich erledigt werden kann.
– Kein eigenständiges Schlichtungsverfahren findet sodann bei der Ehescheidung und im Verfahren zur Auflösung der eingetragenen Partnerschaft statt (Bst. c und d). Hinsichtlich der Scheidung auf gemeinsames Begehren entspricht dies geltendem Recht. Im streitigen Scheidungsverfahren kann es zu einer speziellen Einigungsverhandlung vor dem urteilenden Gericht kommen (Art. 291 f.).
– Das Schlichtungsverfahren ist ausserdem ausgeschlossen für jene SchKG- Klagen, die nach geltendem Recht im sog. beschleunigten Verfahren zu beurteilen sind (Bst. e; vgl. [a]Art. 25 Ziff. 1 SchKG und Ziff. 17 des Anhangs). Damit wird der besonderen Dringlichkeit Rechnung getragen. Neu aufgenommen werden in diesen Katalog die Aussonderungs- und die Admassierungsklage (Art. 242 SchKG), denn sie betreffen – wie die Widerspruchsklage der Spezialexekution (Art. 106 ff. SchKG) – die Zusammensetzung des Vollstreckungssubstrats.
– Ebenfalls ausgenommen werden die Streitigkeiten, die das einzige kantonale Gericht (Art. 5) zu beurteilen hat (Bst. f): Das notwendige Fachwissen kann bei einer nichtspezialisierten Schlichtungsbehörde nicht vorausgesetzt werden. Handelsrechtlichen und prorogierten Streitigkeiten (Art. 6 und 8) hat jedoch ein Schlichtungsversuch vorauszugehen.
– Schliesslich entfällt die Schlichtung bei besonderen Verfahrensgestaltungen (Bst. g): Ein nachträglicher separater Schlichtungsversuch würde hier das Verfahren nur verzögern.
Zu beachten ist, dass diese Ausnahmen keineswegs jede Schlichtungstätigkeit verbieten. Ausgeschlossen ist nur das selbstständige Schlichtungsverfahren vor der Schlichtungsbehörde. Dem urteilenden Gericht bleibt unbenommen, im Rahmen des Prozesses Vergleichverhandlungen zu führen (Art. 124, 226) oder den Parteien sogar eine Mediation zu empfehlen (Art. 214).