Art. 353 Geltungsbereich
1 Die Bestimmungen dieses Teils gelten für Verfahren vor Schiedsgerichten mit Sitz in der Schweiz, sofern nicht die Bestimmungen des zwölften Kapitels des IPRG anwendbar sind.
2 Die Parteien können die Geltung dieses Teils durch eine Erklärung in der Schiedsvereinbarung oder in einer späteren Übereinkunft ausschliessen und die Anwendung der Bestimmungen des zwölften Kapitels des IPRG vereinbaren. Die Erklärung bedarf der Form gemäss Artikel 358.
Vorbemerkung - Ausgangslage -
Heute wird die nationale Schiedsgerichtsbarkeit in sämtlichen Kantonen
durch das Konkordat vom 27. März 1969 über die Schiedsgerichtsbarkeit226
(KSG) geregelt, während für die internationale Schiedsgerichtsbarkeit das
IPRG (12. Kapitel,
Art. 176
–
194
) zur Anwendung kommt.
Bei der seinerzeitigen Ausarbeitung des IPRG hatte der Bund eine Ordnung
für die internationale Schiedsgerichtsbarkeit geschaffen, die sich durch
Flexibilität und grösstmögliche Parteiautonomie auszeichnet227. Die Vereinheitlichung
des Zivilprozessrechts bietet nun dieselbe Gelegenheit für die nationale
Schiedsgerichtsbarkeit.
Steigerung der Attraktivität des Schiedsplatzes Schweiz
Die nationale Schiedsgerichtsbarkeit soll an die Erfolge der internationalen
anknüpfen (vgl. auch Ziff. 3.2.1). Der Entwurf sieht konkrete Massnahmen
vor, die diesem Zweck dienen, zum Beispiel:
– Möglichkeit der Anordnung vorsorglicher Massnahmen durch das Schiedsgericht
selbst (Art. 374)
– Erleichterung der Verrechnungseinrede (Art. 377);
– Möglichkeit einer direkten Beschwerde an das Bundesgericht (Art. 389) gegen den Schiedsspruch. Gleichzeitig werden Mängel des geltenden Rechts
beseitigt.
Beibehaltung des Dualismus nationale Schiedsgerichtsbarkeit einerseits,
internationale Schiedsgerichtsbarkeit andererseits
– Wie schon der Vorentwurf regelt auch der Entwurf nur die nationale Schiedsgerichtsbarkeit.
Die Schaffung eines
code unique
– gleiche Regeln für das nationale und das internationale Schiedswesen
– fand in der Vernehmlassung keine Mehrheit. In der Tat gibt es keinen
Grund, etwas an den bewährten Bestimmungen des IRPG (internationale Schiedsgerichtsbarkeit)
zu ändern. Anderseits darf die nationale Schiedsgerichtsbarkeit nicht einfach
dem IPRG unterworfen werden, denn sonst würde ihren Besonderheiten – niedergelegt
in anerkannten Regeln des Konkordates - zu wenig Rechnung getragen. Aus
denselben Gründen konnte auch das UNCITRAL-Modellgesetz nicht als Vorlage
dienen, denn es ist in erster Linie für internationale Schiedsverfahren
konzipiert. Der heutige Dualismus wird somit beibehalten: Die internationale
Schiedsgerichtsbarkeit bleibt Gegenstand des IPRG, die nationale hingegen
wird in die Schweizerische Zivilprozessordnung integriert.
Doch können die Parteien das anwendbare Schiedsrecht frei wählen, um den
Nachteilen dieser Lösung zu begegnen. Auch in einer nationalen Schiedssache
dürfen sie die Anwendung des IPRG vereinbaren. Dadurch können Streitigkeiten
internationalen Charakters dem IPRG unterstellt werden, selbst wenn sich
der Wohnsitz beider Parteien und der Sitz des Schiedsgerichts in der Schweiz
befinden (Art. 353 Abs. 2). Umgekehrt dürfen die Parteien für eine internationale
Schiedssache die Anwendung des 3. Teils der ZPO vereinbaren (Art. 176 Abs. 2 IPRG
, Ziff. 18 des Anhangs).
Grundlagen des Entwurfs
Das grundsätzlich bewährte Konkordat ist die Grundlage des Entwurfs; das
IPRG und das UNCITRAL-Modellgesetz wurden für gebotene Ergänzungen und
Modernisierungen zu Rate gezogen. So wird die Praxis weitgehend auf die
bisherige Lehre und Rechtsprechung abstellen können.
Im Gegensatz zum Konkordat (Art. 1 Abs. 3 KSG) werden die zwingenden Bestimmungen
nicht explizit aufgezählt. Ein zumal grösserer Katalog kann nur eine Fehlerquelle
sein – zu Lasten der Rechtssicherheit. Der Entwurf hält daher an der Lösung
des Vorentwurfes fest. Die zwingende Natur einer Regel ist jeweils durch
Auslegung zu bestimmen. Aus den gleichen Überlegungen wurde auch darauf
verzichtet, eine dispositive Bestimmung durch einen ausdrücklichen Hinweis
auf die Zulässigkeit einer abweichenden Parteivereinbarung zu bezeichnen.
Verhältnis zum übrigen Teil der Schweizerischen Zivilprozessordnung
Die Schiedsgerichtsbarkeit stellt bewusst einen eigenständigen Teil der
Zivilprozessordnung dar. Aus den Regeln, die für staatliche Gerichte gelten,
sollen grundsätzlich keine Rückschlüsse für das Schiedsverfahren gezogen
werden. Deshalb wird im Prinzip auch auf Querverweise auf andere Bestimmungen
des Entwurfes verzichtet: Der 3. Teil der Zivilprozessordnung soll von
der Praxis wie ein selbstständiges Gesetz gehandhabt und aus sich selbst
heraus verstanden werden.
Die Parteien und die Schiedsrichter und -richterinnen können sich natürlich
bei der Festlegung des Verfahrens durch die übrige Zivilprozessordnung
inspirieren lassen oder einzelne Titel als anwendbar erklären (z.B. die
Bestimmungen über den Beweis).
Wie schon das Konkordat, das IPRG und auch viele ausländische Vorbilder
(weit- gehend auch das UNCITRAL-Modellgesetz), regelt der Entwurf das Schiedsverfahren
nicht im Einzelnen, sondern überlässt es der Vereinbarung der Parteien
bzw. dem Schiedsgericht. Diese Flexibilität ist notwendig, um es den Bedürfnissen
des Einzelfalls anzupassen. Daher wurde die viel kritisierte subsidiäre
Anwendbarkeit des «staatlichen Prozessrechts» nicht übernommen (vgl. Art.
24 Abs. 2 KSG).
Schiedsrichtervertrag
Der so genannte Schiedsrichtervertrag (d.h. der Vertrag zwischen den Parteien
und den Mitgliedern des Schiedsgerichtes) ist nicht Gegenstand des Prozessrechts,
sondern ein Vertrag des materiellen Rechts. Daher ist nach dem anwendbaren
materiellen Recht (in der Regel nach schweizerischem Recht) zu beurteilen,
ob der Schiedsrichtervertrag als Auftrag oder lediglich als auftragsähnlich
zu qualifizieren ist (vgl. auch die Erläuterungen zu den
Art. 363
und
364). Die Haftung eines Schiedsrichters oder einer Schiedsrichterin für Schlechterfüllung
des Mandates richtet sich ebenfalls nach dem materiellen Recht.
S. 7393 : Allgemeine Bestimmungen-
Art. 353
Geltungsbereich
Absatz 1
ist komplementär zu
Art. 176 Abs. 1 IPRG
, der den Begriff der inter- nationalen Schiedsgerichtsbarkeit mit formalen
Kriterien definiert (Schiedsgericht mit Sitz in der Schweiz, kein schweizerischer
Wohnsitz oder Aufenthalt mindestens einer Partei bei Abschluss der Schiedsvereinbarung).
Somit ist der Geltungsbereich des 3. Teils im Verhältnis zu
Art. 176 Abs. 1 IPRG
negativ definiert.
Absatz 2
trägt der Kritik in der Vernehmlassung Rechnung. Die rein formelle Unterscheidung
zwischen nationaler und internationaler Schiedsgerichtsbarkeit kann die
unerwünschte Folge haben, dass ähnliche Streitsachen unterschiedlichen
Regeln unterstehen, nur weil eine Partei Wohnsitz in der Schweiz oder im
Ausland hat. Besonders im Sportrecht kann dies zu Ungleichbehandlungen
führen. Absatz 2 ermöglicht deshalb, auch nationale Schiedssachen
den
Art. 176 ff. IPRG
zu unterstellen. Von dieser Möglichkeit können etwa auch die Sportverbände
Gebrauch machen.