Art. 246 Prozessleitende Verfügungen
1 Das Gericht trifft die notwendigen Verfügungen, damit die Streitsache möglichst am ersten Termin erledigt werden kann.
2 Erfordern es die Verhältnisse, so kann das Gericht einen Schriftenwechsel anordnen und Instruktionsverhandlungen durchführen.
Art. 246 und 247 : Prozessleitende Verfügungen und Feststellung des Sachverhalts - Formerleichterungen und Mündlichkeit sollen das Verfahren auch beschleunigen: Idealerweise ist der Prozess am ersten Termin abzuschliessen (Art. 246 Abs. 1). Dem Bundesrat ist bewusst, dass dies ein hochgestecktes Ziel ist. Es kann nur eingehalten werden, wenn die rechtlichen und tatsächlichen Verhältnisse einfach sind. Oft jedoch – namentlich wenn sich ein Beweisverfahren abzeichnet, das die Prüfung der verfügbaren Urkunden sprengt – wird ein weiterer Termin abzuhalten sein. Wenn es die Verhältnisse erfordern, kann das Gericht auch einen förmlichen Schriftenwechsel anordnen (Art. 246 Abs. 2). Der Prozessablauf kann so auf die Bedürfnisse des Einzelfalles zugeschnitten werden – eine mit Blick auf das weite Anwendungsfeld unerlässliche Flexibilität. Ein Kernmerkmal des vereinfachten Verfahrens ist die Untersuchungsmaxime (Art. 247 Abs. 1). Der Vorentwurf hatte sie auf die klassischen Materien des Sozialprozesses beschränkt (Art. 240 VE). Hier jedoch wird sie allgemein vorgesehen, denn für ein laienfreundliches Verfahren ist sie unabdingbar. Doch ist zu beachten, dass sie nur in einer abgeschwächten Form gilt:
- Dem Gericht obliegt einzig eine verstärkte Fragepflicht. Wie im ordentlichen Prozess haben die Parteien bei der Feststellung des Sachverhaltes aktiv mitzuwirken (die Leistung der entsprechenden Vorschüsse für die Beweisabnahme inbegriffen; vgl. die Erläuterungen zu Art. 153). Doch hilft ihnen das Gericht durch geeignete Fragen auf die Sprünge, damit die nötigen Angaben gemacht und die entsprechenden Beweismittel auch wirklich bezeichnet werden. Somit sammeln die Parteien den Prozessstoff auch hier selber – wenn auch unter Anleitung des Gerichts. Dieses stellt aber keine eigenen Ermittlungen an. Insofern unterscheidet sich die zivilprozessuale Untersuchungsmaxime ganz erheblich von jener des Strafprozesses (Art. 6 sowie 305 ff. E-StPO; vgl. auch die Erläuterungen zu Art. 296).
Zudem hängt das Ausmass richterlicher Hilfe im Einzelfall auch davon ab, wie eine Partei sozial und intellektuell disponiert ist und ob sie anwaltlich vertreten wird. Lehre und Praxis sprechen hier von «sozialer Untersuchungsmaxime» (BGer 4C.211/2004 betr. Mietrecht; 4C.340/2004 betr. Arbeitsrecht.): Sie greift nur, soweit es wirklich geboten ist: vor allem zum Ausgleich eines Machtgefälles zwischen den Parteien (z.B. Arbeitgeber gegen Arbeitnehmer) oder bei ungleichem Know how (Laie gegen anwaltlich vertretene Partei). Wenn sich jedoch zwei anwaltlich vertretene Parteien gegenüber stehen, darf und soll sich das Gericht wie im ordentlichen Prozess zurückhalten.
Ein Nebeneffekt der Untersuchungsmaxime ist ein offenes Novenrecht. Neue Tatsachen und Beweismittel können die Parteien bis zur Urteilsberatung einbringen (Art. 243 Abs. 2, durch die Räten abgeändert). Das ist jedoch kein Freipass für dilatorisches Verhalten: Bei verspätetem Vorbringen können der betreffenden Partei die damit verbundenen Mehrkosten auferlegt werden (Art. 108). Im Übrigen verläuft das vereinfachte Verfahren wie das ordentliche (Art. 219): So erfolgt die Beweisabnahme in denselben Formen (Art. 231), die Parteien haben das Recht auf Schlussplädoyers (Art. 232) und auch der Entscheid wird in gleicher Art gefällt und eröffnet (Art. 236 ff.).